Du liest: AC/DC in München: Blitze im Olympiastadion

Wird geladen
svg
Offen

AC/DC in München: Blitze im Olympiastadion

13. Juni 202411 Min. gelesen

Es ist eines dieser großen Highlights im Konzertjahr 2024 in München: AC/DC live im Olympiastadion. Pure Hard-Rock-Ekstase, viel Nostalgie und Angus Young die absolute Legende. Ein jahrzehntelanger Fan berichtet vom Konzert und blickt mit leichter Wehmut zurück. 

Zum Hintergrund dieses Konzertberichts: Alle Medien berichten und auch wir bei Frequenz wollten uns das nicht entgehen lassen. Die Frage war für uns dabei als unabhängiges Musikmagazin: Wie können wir das Konzert nun auf unsere ganz eigene Weise in einem Artikel behandeln? Statt eines klassischen Berichts lest ihr hier das Konzert aus der Perspektive des jahrzehntelangen Ultra-Fans Lefty (sein Spitzname), der die Band das erste Mal schon in den frühen 80ern live rocken sah. Seitdem kamen einige weitere Konzerte dazu (er hat mittlerweile aufgehört zu zählen). Er hat uns berichtet und seine ganz besondere Revue auf das Konzert am Sonntagabend gegeben. Eindrücke direkt aus der ersten Reihe, mit viel nostalgischem Schwelgen und leichter Wehmut.Viel Spaß beim Lesen und Rocken! 

„Ich bin absolut durchgerockt!” Die Stimme ist rau, die Augen schwer in unserem Interview am Montagmorgen nach dem Konzerthighlight des Jahres für Lefty. Schwimmen auf einer Welle der australischen Hard-Rock-Euphorie, die verträgt sich nicht gut mit Schlaf. 

Geile Stimmung trotz Regen

Alles ging los am Sonntag mit einem feuerroten Dodge Challenger, der auf der großen Videoleinwand über der Bühne ins Olympiastadion einfährt. Die gehörnten Hände sind weit in die Luft gestreckt und die roten Teufelshörner leuchten, erglühen, in einem Meer aus Regenponchos. Angus Young spielt das Riff von „If You Want Blood (You’ve Got It)”, 66.000 Menschen explodieren vor Ekstase und der Regen wird stärker. Doch die paar Tropfen haben noch keinen Hard-Rock-Fan vom Rocken abgehalten. Der Himmel über dem Olympiastadion ist düster und „Back in Black” erklingt. Die Australier von AC/DC sind zurück in München nach acht Jahren und mit ihnen das nasse Wetter. „Der Regen hat bei den Konzerten hier schon fast Tradition”, meint Lefty. Doch anders als bei Metallica vor ein paar Wochen kommen hier die Blitze nicht vom Himmel, sondern aus der ekstatisch gespielten Gitarre von Angus Young. Alle sind wie elektrisiert und Brian Johnson, ganz klassisch mit grauer Ballonmütze, heizt ordentlich ein. 

AC/DC-Konzerte und Brian Johnson heilen Traumata

Bei Lefty bedeutet dieser Anblick des legendären Frontmanns, der bereits 1980 das Klassikeralbum „Back in Black” erstmals mit seiner gepressten Stimme prägte, ein großes Aufatmen. „Dieses Konzert ist für mich wie eine Traumabewältigung nach dem Axl-Rose-Drama in Wien. Ich musste Brian nochmal live sehen!”. Vor acht Jahren in Wien, war der Sänger von Guns’n’Roses, Axl Rose, kurzfristig auf Tour für Johnson eingesprungen, der kurz davor war, sein Gehör zu verlieren. Mit speziellem Hörgerät und zurück mit alter Power seien aber gleichzeitig nach rund einer halben Stunde an diesem Abend leichte Stimmbruch-Probleme bei Johnson heraus zu hören gewesen. 

Foto: Christie Goodwin.

„Bis Mitte 30 hat der Typ einfach alles weggefegt. Danach hatte er mal bessere, mal schlechtere Touren, aber jetzt klingt Brian zeitweise richtig gut, obwohl manchmal gerade die hohen Töne nicht mehr so konsequent wie früher kommen.” An gewissen Stellen sei die Stimme Johnsons nur schwer zu verstehen an diesem Abend im Olympiastadion, auch direkt im Front-of-Stage-Bereich, wo Lefty mit seinen Freunden steht. Doch die Meinung eines Rezensenten, dass Johnson einfach nur da stand, während Gitarrist Angus Young die ganze Show rockte, konnte er überhaupt nicht teilen. „Brian hatte richtig Biss. Ich glaube, der hat ein anderes Konzert gesehen oder das Prinzip von AC/DC nicht verstanden. Das ist und war immer eine Zwei-Frontmann-Band!”  

Teure Ticketpreise, doch der neue Drummer überzeugt

Die zwei Frontmänner, Young – natürlich in seiner unverwechselbaren Schuluniform auf der Bühne, wäre es anders, wäre irgendwas falsch – und Johnson, sind die zwei übrig gebliebenen Originale aus den großen Jahren der Band in den 70ern und 80ern. Die ganze Rhythmussektion ist mittlerweile ausgetauscht. Doch der neue Schlagzeuger Matt Laug findet bei Lefty guten Anklang. „Sein Spiel hat mich gestern teilweise sehr an Phil Rudd erinnert.” Jener Drummer, der den Sound der Band ab Mitte der 70er von zeitlosen Hits wie „T.N.T” bis „Shoot to Thrill” so sehr prägte. 

Nichtsdestotrotz sorgte dies für eine Premiere bei Lefty. Das erste Mal in 40 Jahren geht er auf einer AC/DC-Tour auf nur ein Konzert. „Ich wusste, ich werde es bereuen, aber zum einen diese verringerte Originalbesetzung und auch die hohen Ticketpreise brachten mich dazu.” Rund 150 € kostete ein Ticket, im Front-of-Stage-Bereich noch mehr. Vom Re-Sell, wo teilweise vierstellige Beträge aufgerufen und bezahlt wurden, ganz zu schweigen. 

Jeder hat seinen Platz, kein Gedränge 

„Einer meiner Freunde meinte zu mir: Dein Leben ist in drei Stunden vorbei, meins geht weiter auf der Welle der Euphorie.” Für Hardcore-Fans der australischen Hard-Rock-Band ist es nichts Unübliches, durch halb Europa und die Welt für ihre Idole zu reisen. Doch seinem jahrzehntelangen Revier, direkt vor der Bühne, blieb Lefty treu. „Nur ist heute alles abgesperrt und sicherer mit vielen Wellenbrechern.” Früher sei das Publikum oft eine große Maße gewesen, die sich hin und her bewegte. „Da musstest du wirklich kämpfen und warst danach körperlich richtig kaputt. Aber es war geil!” Jetzt herrscht weniger Bedrängnis, unter vielen bereits ergrauten, durchgerockten Köpfen sind vereinzelt auch Kinder zu sehen. Aber – ganz wichtig – mit ordentlichem Gehörschutz. 

Foto: Christie Goodwin.

Doch Angus Young könne man einfach nicht oft genug erleben. „Der Typ ist einfach Wahnsinn. Über zwei Stunden hat der absolut Vollgas gegeben!” Der Steg hinein in die Zuschauer:innen wird von ihm intensiv genutzt, er läuft auf und ab, spielt teilweise mehrere minutenlange Riffs wie bei „Let There Be Rock” und wälzt sich in den Regenpfützen. Sein Alter war ihm an keiner Stelle anzumerken, findet Lefty. Nur der schnelle Anfang von „Thunderstruck” sei ihm nicht mehr so gut gelungen wie noch in früheren Zeiten. „Manchmal dachte ich mir, ob Angus jetzt die Töne genau so getroffen hat, wie er das wollte.” Doch das Olympiastadion rastet aus bei seinen Duck-Walks, aber seinen berühmten Strip – seit jeher ein großes Highlight auf den Konzerten – legt Young nicht mehr hin. „Ich finde, er könnte es schon machen, sein Körper ist gut gealtert und gibt es noch her. Außerdem ist das ja auch sehr zeitgemäß, so strippende Männer?” 

Letztes Konzert von AC/DC in München? 

Nach weiteren Klassikern und ein paar Songs vom letzten Album „Power Up”, wie „Shot in the Dark” oder dem schnellen „Demons Fire”, kommt das Konzert langsam zum Ende mit „T.N.T”. Pünktlich mit dem Ende des Konzerts hört auch der Regen auf. „Wie als sei es ein Effekt von der Bühne gewesen.” Für Lefty ist es nicht mehr wirklich vorstellbar, dass AC/DC nochmal nach München kommen werden. „Es war schön, ein krönender Abschluss. Ich bin glücklich und habe eine leichte Wehmut.” Als zweite und letzte Zugabe wird „For Those About To Rock” hinaus gedonnert in die Weiten des Olympiastadions. 

We’ll give you everything you need 

Hail, hail to the good times 

‘Cause rock has got the right of way 

We ain’t no legend, ain’t no cause 

We’re just livin’ for today

For those about to rock, we salute you” 


Ach ja, und eine Nachfrage noch: Die Vorband The Pretty Reckless, wie waren die? „Es war halt eine dieser Vorbands, wo man sagt: War ok, man gibt nach den Songs seinen Grundanerkennungs-Applaus, aber mehr auch nicht. Die schaust du dir an und nach dem Konzert hast du die Musik schon wieder vergessen.”

Beitragsbild: Christie Goodwin.

Was denkst du?

5 People voted this article. 4 Upvotes - 1 Downvotes.

Balthasar Zehetmair - Redaktion

Sucht den Sinn des Lebens in Bob Dylan Songtexten und findet ihn bei den Wildecker Herzbuben. Meistens in Schallplattenläden und immer mit Kopfhörern auf den Ohren zu sehen.

svg

Was denkst du?

Kommentare anzeigen / Kommentar hinterlassen

Sag uns, was du denkst

Auch ein guter Beitrag!
Wird geladen
svg