Sie ist das stilistische Markenzeichen vieler deutschsprachiger Indie-Musiker:innen: die Ironie. Doch dieses Stilmittel wirkt mitunter ein bisschen abgenutzt – und riecht nach privilegierter Gleichgültigkeit.
Das mit dem Humor ist so eine Sache. Keine Musikerin und kein Songwriter entkommt dem Dilemma, das der Humor mit sich bringt. Entweder er kommt gut an – oder eben nicht. Über dieses Risiko schrieben bereits die Hamburger Indie-Rock-Lieblinge Die Sterne Mitte der 90er: „Nur fürchtet sich der Witz vor der Pointe / Was mach‘ ich bloß, wenn wieder keiner lacht?“ Ja, was macht man, wenn der Witz nicht zündet? Gesteht man das eigene Scheitern ein und macht sich unter Umständen selbst zur punchline? Oder zieht man sich den Schutzmantel über, der bescheinigen soll, man habe es doch gar nicht so gemeint?
Das Stilmittel der Ironie lässt beides zu. Indem wir etwas ironisch sagen, markieren wir auf rhetorische Weise eine Distanz: zu uns selbst, zur Außenwelt oder zu dem Thema, um das es gerade geht. Wir können uns selbst aufs Korn nehmen oder der Gesellschaft den Rücken kehren. Doch weil wir uns mittels der Ironie niemals endgültig positionieren oder ausdrücklich ausbuchstabieren, wie genau wir etwas meinen, bleibt immer ein Zweifel, wie wir eigentlich zu den Dingen stehen.
Kriegt man Ironie und gutes Songwriting unter einen Hut?
Das kann in der Kunst fruchtbar und enorm spannend sein. Denn Kunst lebt von den vielfältigen Interpretationsräumen, die sie eröffnet. So gibt es auch genügend Beispiele dafür, dass sich Ironie und mitreißendes Songwriting gut vertragen können: der dekadente Schmäh des Wieners BIBIZA, der Gossenhumor von Voodoo Jürgens, die hymnenhafte Scharfzüngigkeit von Wir Sind Helden und meist auch die melancholische Satire des Schweizers Faber. All diese Musiker:innen machen durch ihre Texte und ihren Vortrag Ironie zu einem Stilmittel, das die Welt auf eine kreative Weise verfremdet. Ihre Ironie ist wie eine Linse, durch die das Trübe sichtbar erscheint und nicht das Sichtbare trüb.
Aber nicht immer ist die Ironie ein geeignetes Stilmittel, um neue Bedeutungshorizonte zu eröffnen. Manchmal endet eine Auseinandersetzung oder ein Gedankenprozess just in dem Moment, in dem es ironisch wird. Der Wuppertaler Rapper Prezident, selbst ein Freund des bissigen Witzes und des gewieften Sarkasmus, stellt fest: „Ironie kennt keine Grenzen / Ironie kennt kein Pardon / Wer sie hat, der hat gut lachen / Denn der hat ’ne Rückversicherung.“ Wer etwas ironisch sagt, kann sich im Zweifelsfall eben darauf berufen: War doch nicht ernst gemeint, also braucht mich auch niemand zu kritisieren!
Ein abgenutztes Stilmittel im deutschsprachigen Indie
Hinter der Ironie kann also der Wunsch stecken, nicht für die eigenen Aussagen haften zu müssen. In diesem Fall geht die Ironikerin in die Abwehrhaltung. Sie schirmt sich mit der Ironie gegen alles Äußere ab. Gibt sich lässig. Gleichgültig. Ebenjene Fassade ist in der Musik vieler deutschsprachiger Künstler:innen – zumal solchen aus der Indie-Szene – äußerst verbreitet.
So spielt Indie-Pop-Sängerin Alli Neumann auf dem Song „Cool Kids“ mit ihrem eigenen Image: „Fashion übеr alles / Du bist en vogue und ich bin cringe / Ich bin nur ein Punk / Weil ich gar keiner bin.“ Neumann karikiert sich hier selbst. Sie stellt sich in überspitzter Manier auf genau die Weise dar, die ihre Kritiker:innen ihr anlasten würden – und versucht diese so zu entwaffnen. Doch spätestens im Refrain, als Neumann den titelgebenden Cool Kids symbolisch einen Korb gibt, stellt sich die Frage, ob ihre lässige Fassade nicht doch ein wenig erzwungen ist: „Und sie sagen: Wow / Du lebst in deiner eignen Welt“ / Easy, ich tu‘ nur das, was mir gefällt.“
Da hat Alli Neumann dem äußeren Erwartungsdruck doch fix eine Absage erteilt. Und warum auch nicht? Lass sie doch ihr eigenes Ding machen! Aber was ist, wenn Musiker:innen mit ihrer Verfremdung suggerieren, sie seien an einer ernsthaften inhaltlichen Auseinandersetzung gar nicht interessiert? Wenn aus ihrer Ironie Nicht-Betroffenheit wird? Genügend deutschsprachige Indie-Musiker:innen haben das ironische Ist-doch-egal zu ihrer Kerndevise gemacht – und gleichen damit jenen Cool Kids, zu denen Alli Neumann doch keinesfalls dazugehören will.
Ironie und Privilegien
Ein großes Problem dabei: Um sich nicht betroffen zu fühlen, muss man in der Regel irgendwie privilegiert sein. Und die deutschsprachige Indie-Szene ist bekanntermaßen kein Sammelbecken der sozial Abgehängten. Viele können sich Reisen an entlegene Orte wie den argentinischen See „Nahuel Huapi“ leisten. Diesen beschreibt die österreichische Band Bilderbuch als „schon sehr kalt, Baby, I can tell / Sterne über uns machen uns so happy“. Und man würde Frontmann Maurice Ernst diese Poesie ja fast abkaufen, klänge er nicht etwa so geistesabwesend wie sein Landsmann und Ironie-King Money Boy.
Zu erkennen geben sich viele Indie-Ironiker:innen an ihrem Gebrauch von Anglizismen. Auf Denglisch klingt man nicht nur extrem weltkundig, sondern auch gleich ein bisschen fresher, weniger emotionally involved. Das weiß auch die Münchner Band Raketenumschau: Auf einem Songs ihres letztjährigen Debütalbums singt das Quartett vom romantischen Reiz des „Family Bowling“ – und wirkt dabei etwa so elektrisiert wie nach dem dritten weihnachtlichen Resteessen mit den nervigen Verwandten. Mit den „rental shoes“ sehe das Gegenüber „nice“ aus, auch wenn diese „ein bisschen stinky“ seien. Da sprühen die Funken.
Nun ist nichts daran auszusetzen, dass Künstler:innen von ihrer Lebenswelt erzählen, von dem, was sie kennen. Nur ist es nicht sonderlich horizonterweiternd, wenn etwa die Post-Punk-Band Sorry3000 vom Leben und Leiden des „goldenen Zitronenbaums aus einer Supermarktzitrone“ erzählt. Ist das also der kosmopolitische Geist der akademisierten neuen Mittelklasse?
Gut, dass sich Sorry3000 bereits mit ihrem Namen und dem Eröffnungsstück ihres neuen Albums gleich zu Genüge entschuldigt haben: „Tschuldigung, Tschuldigung, tut mir leid. Entschuldigung. Reicht? Reicht? Ist jetzt wieder gut? Ist jetzt wieder gut? Ohh, es reicht noch nicht, oder?“ Wofür sie sich entschuldigen, weiß man nicht recht. Für die eigenen Privilegien? Dafür, dass sie sich mal eben ernsthaften inhaltlichen Auseinandersetzungen entziehen und sich lieber für ihr „Foto mit Peter Maffay“ feiern? Es ist gut, dass sie sich ihrer eigenen Fluchtmechanismen bewusst sind. Man will ihnen ja glauben. Aber vielleicht war‘s halt doch ironisch gemeint.
Bild: Stefan Müller (Wikimedia Commons); Alli Neumann bei einem Klimastreik von Fridays for Future im Berliner Invalidenpark
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