Violinen im Club, dekadente Malerei auf dem Albumcover und die Freiheit nach der Trennung: Unsere aktuellen Empfehlungen halten einige Überraschungen bereit.
Bachratten – Rockmusik
Die Riffs preschen unbeirrbar vorwärts, Verzerrungseffekte liegen auf der Gitarre. Das Schlagzeug ertönt klar und schlagkräftig, der Bass bildet einen dicken Groove, während sich Yusif Dapgins leicht umnebelter Gesang an den vielschichtigen Fuzz anschmiegt. Viel mehr ist nicht dran am Sound der Bachratten und viel mehr braucht es auch nicht, damit Songs wie „Zufall“, „Automatisch“ oder „Kein Cannabis“ ins Ohr gehen. Die vierköpfige Band aus Kassel liefert ein geradliniges Garage-Rock-Album ab und verbindet dabei eingängige Melodien mit dreckigem Noise-Charakter. Vereinzelt traut sich aber auch eine verspielte akustische Gitarre in den Vordergrund und lässt verträumte 90er-Sounds wieder aufleben. Das verleiht „Rockmusik“ die nötige Abwechslung und trägt zum kurzweiligen Charakter dieses Albums bei.
Niños del Cerro – Alma Tadema
Biblische Motive, das Alte Ägypten, die römische und griechische Antike: Sie alle prägen die Bilder von Lawrence Alma-Tadema. Der niederländische Maler, Vertreter der Dekadenz, starb im Jahr 1912 – und ist nun Namensgeber für das Album einer chilenischen Indie-Rock-Band. Man kann im neuen Album der Niños del Cerro nach den Spuren von Alma-Tadema suchen. Vielleicht findet man sie in den religiösen Motiven der Songtexte, in den üppig geschmückten Arrangements. Ob man die Zusammenhänge entdeckt oder nicht: „Alma Tadema“ hat rein musikalisch genügend zu bieten. Warme Melodien, hymnische Refrains, alles ziemlich glatt und luftig produziert. Simón Capusanos leicht widerhallender Gesang legt sich wie Samt über die freifließenden Klavierakkorde, während die E-Gitarre meist das zentrale Motiv angibt. Niños del Cerro manövrieren hier gekonnt zwischen Dream Pop und Post Rock, zwischen Nachdenklichkeit und Befreiung.
Sudan Archives – The BPM
Der Club ist kein Ort für schwelendes Unbehagen. Für Trauer zwischen den boomenden Bässen. Und er ist definitiv kein Ort für eine Violine. Sagt eigentlich wer? Sicher nicht die US-amerikanische Geigerin, Sängerin und Produzentin Brittany Parks alias Sudan Archives. In ihrer „Black orchestral dance music“ verschmelzen bruchstückhafte House-Beats mit Hip-Hop-Elementen und elegantem Violinspiel. Parks‘ Vortrag ist vielschichtig und selbstsicher, sie balzt in ihrem ätherischen Falsett, sie rappt und flext. Doch unter den luxuriösen Sound mischt sich immer wieder so etwas wie Existenzangst. „The BMP“ ist ein wunderbar vielschichtiges Album, das futuristische Club-Musik mit Afrobeat und orchestralem Pop in einem faszinierenden Kaleidoskop vereinigt. Allein den Hyperpop-Experimenten in der zweiten Hälfte des Albums fehlt eine klare Zielrichtung.
DIMILA – Shifting Sand (Single)
Dass das Ende einer Beziehung nicht nur Schmerz und Kummer in uns auslösen kann, das weiß Celina di Meola. Auf „Shifting Sand“ begreift die junge Münchnerin eine Trennung als Chance für den Neubeginn: „I’m the shifting sand“, singt sie darin, als erwarte sie den Wandel mit offenen Armen. Das sanfte Indie-Folk-Stück ist die zweite Single, die die Singer-Songwriterin unter dem Namen DIMILA in Vorbereitung auf ihre Debüt-EP veröffentlicht. „Ein Song über die Freiheit des Loslassens“, wie sie selbst sagt. Das reduzierte Gitarrenspiel wird ergänzt und getragen von Tom Appels Streicher-Arrangements, die sich zu einem lohnenden Crescendo zuspitzen. Doch di Meolas Gesang bleibt in sich gekehrt, ganz so, als singe sie nur für sich selbst.
Bild: Anna Burnett




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