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Auf dem Radar – November

12. November 20245 Min. gelesen

Junger Jazz aus Luxemburg, kalter Post-Punk aus Berlin über das Erwachsenwerden und gespenstischer Indie-Rock aus Chile. Das sind die Tipps aus der Redaktion, die unbedingt auf euren Radar gehören!

Mathieu Clement Sextet – FUME

Erst vor Kurzem bekam das Sextet den Jungen Münchner Jazzpreis. Beim Hören dieses Albums scheint dieser wohl verdient, entfaltet sich auf den Kompositionen doch eine reiche Spielkultur mit kräftigen Klangfarben. Dabei bekommen alle Instrumente – von Klavier und Drums über Alt- und Tenor-Saxophon bis hin zu Trompete und Bass – ihren Raum. Es ist ein ausbalanciertes Wechselspiel aus ruhig und laut, die Töne greifen ineinander über, manchmal fangen diese das Singen an. Dies klingt manchmal fast wie eine swingende Jazz-Kapelle wie auf „Short End“, manchmal ganz verwunschen und voll verrauchter Klänge wie auf „Smoking Pianist“ oder „Old Idea“. Der Eindruck entsteht, als würde die Formation schon Jahre zusammenspielen. Dabei sind die Musiker alle „erst“ in ihren 20ern und so frisch, jung, aber auch schon reif und gehaltvoll klingt dieses Album.

Jogger – Strong

Fast schon jeden Monat, grüßt im Radar dieses Musikmagazins die Neue-Neue-Deutsche-Welle. Manchmal kommen wir uns damit so eindimensional vor, aber immer wieder spiegelt diese Musik unumgänglich auf den Punkt den Zeitgeist wieder. So auch hier auf dem neuen Album „Strong“ des Berliners Jogger. Der Sound ist Post-Punk, so hitzig, schnell berauschend mit minimalistischen Riffs und Lo-Fi-Sounds irgendwo am Eisernen Vorhang genau zwischen Joy Division und Molchat Doma. Mit monotoner, schroffer Stimme singt, ja fast schon schmettert mit klirrender Kälte vom Studiomikrofon direkt ins Ohr. Es geht um Selbstmitleid und das harte Erwachsensein in poetisch angehauchten Texten. Diese Musik umarmt einen so fast schon wieder, wärmt und macht stark.

Nicolas Jaar – Piedras 1 & 2

Es sind gespenstische Klänge, die sich aus der Ferne durch das Radiorauschen drängen. Und Gespenster sind genau das, was Nicolas Jaar auf diesem Doppelalbum verkörpern will. Er spricht mit der verstummten Stimme von palästinensischen Vertriebenen und Chilenen, die unter der ehemaligen Pinochet-Diktatur systematisch verschwanden. Diese beiden Erzählstränge lässt der chilenisch-amerikanische Musiker mit gezieltem Hang zum Mythos verschmelzen, ohne dabei die Einzelschicksale von Müttern, Söhnen und all den Namenlosen aus den Augen zu verlieren. Mit seiner Mischung aus minimalistischem Ambient, dekonstruiertem Reggaeton und Spuren von Indie-Rock klingt „Piedras“ zugleich greifbar und flüchtig: wie all jene Existenzen, deren Suche nach Verwurzelung Nicolas Jaar hier besingt.

Kissin’ Killer Cobras – Stand Atlantic

Da Stand Atlantic kürzlich in Deutschland gespielt haben, ist es nur fair, über ihren Einstieg in diesen genreübergreifenden Trend im Pop-Punk zu sprechen. „Kissin’ Killer Cobras“ ist definitiv hart genug, um als Post-Hardcore-Song bezeichnet zu werden – was überhaupt nichts Schlechtes ist. Der Song ist selbstbewusst, stilistisch und eingängig. Wenn dies ein Vorgeschmack darauf ist, was Stand Atlantic für ein härteres Album im Sinn haben, dann bin ich vollkommen dafür.

Arliston – What did I think would happen

In Musik und mit gewissen Klängen kommt immer wieder Erinnerung hoch. Das ist auch bei der neuen Single „What did I think would happen“ von Arliston so, wenn diese mit einem vertrauten Klicken einer VHS-Kassette startet. Nostalgisch, emotional und mit analoger Wärme baut sich eine melancholisch samtene Klanglandschaft auf. Die Emotionen in der Stimme von Jack Ratcliffe prallen ehrlich und unmittelbar ein. So schmerzhaft und gleichzeitig erhellend fangen die Musiker aus England Momente tiefer Verwundung ein. Dieser Song glänzt mit Zurückhaltung und ist gerade deshalb so kraftvoll, da dieser die schwierigen, komplexen Gefühle der Liebe so feinfühlig und detailreich im Klang ausdrückt. Der VHS-Film spult weiter auf dem neuen Album, das im Januar kommt.

©Arliston

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