Mit den Feierwerk Sessions bietet das Feierwerk frischen Stimmen aus München und der Region eine Bühne. Frequenz informiert über die Veranstaltungsreihe und porträtiert die jungen Musiker:innen. Diesmal im Fokus: der Singer-Songwriter Daniel He, die Indie-Pop-Künstlerin niah und das Jazz-Duo Das doppelte Lottchen.
Es sind „die nicht ganz so lauten Töne“, die bei den Feierwerk Sessions Gehör finden sollen – das ist der Anspruch des Münchner Feierwerks, das für die anstehende zwölfte Auflage dieser Veranstaltungsreihe Folk, Indie Pop und Jazz-Klänge auf die Bühne holt. Die Feierwerk Sessions sind eine Chance für lokale Newcomer:innen aus der Musikszene live aufzutreten.
Am Samstag, 6. Juli können Besucher:innen unter freiem Himmel drei kleinen Konzerten lauschen, die auf der Bühne vor dem Orangehouse stattfinden. Wer tritt an diesem Abend auf? Wir stellen euch die jungen Künstler:innen vor.
Das doppelte Lottchen
Zwillinge sind sie zwar nicht, doch Lieselotte Heim und Charlotte Willing verbindet so einiges an Chemie. Sie nennen sich „Das doppelte Lottchen“ und sind in ihrer Schwäche für den Jazz vereint. Ihre Liebe zu diesem Musikgenre begann schon früh in der Schule und entwickelte sich weiter, als die beiden in Big Bands und Jazz-Combos spielten. „Das Improvisieren ist ein einzigartiges Gefühl“, schwärmen sie. „Man hat eine unglaubliche Freiheit, die man sonst in keiner Musikrichtung in dieser Art findet.“
Auf Instagram zeigen Video-Aufnahmen die vielfältige Musik, die das Duo inspiriert: Von alten Jazz-Standards und Polka bis zu zeitgenössischem Soul und R&B ist alles dabei. Ein roter Faden ist das selbstsichere Zusammenspiel des doppelten Lottchens. Lieselotte an Klavier und Akkordeon, Charlotte an der Gitarre, beide singen.
Die bisher einzige Veröffentlichung des Duos ist ein Cover des Bossa-Nova-Stücks „Corcovado“ und gibt einen Vorgeschmack auf das, was das Feierwerk an diesem Samstagabend erwarten könnte: feinsinniges Gitarrenspiel, verträumte Harmonien und eine sanfte Melancholie, der man sich gerne hingibt. Doch wer weiß, was dieser Auftritt für Überraschungen bereithalten könnte? Schon bald könnte Das doppelte Lottchen noch mehr von sich sprechen machen. Denn Lieselotte und Charlotte versichern: „Eigene Kompositionen sind in Planung.“
Daniel He
Eine persönliche Tragödie inspiriert Daniel He zu seinem Debütalbum. Es ist der Höhepunkt der Corona-Pandemie, vor erst einem Jahr zog er aus seiner chinesischen Heimatstadt Wuhan nach München. Und plötzlich muss er einen einschneidenden persönlichen Verlust hinnehmen: Seine Mutter verstirbt, er kann an der Beerdigung nicht körperlich teilnehmen. Daniel schreibt seine Gefühle nieder und nimmt Songs auf, um auf die Trauer zu reagieren. „Songwriting wurde zu einer Rettungsleine für mich“, erzählt er.
Daniels Musik kommt mit wenigen Elementen aus. Sie zeichnet sich durch seine verträumte, intime Stimme aus, durch ausdrucksstarkes Gitarrenspiel und minimalistische Klanglandschaften. Er orientiert sich an der Open-Tuning-Gitarrentechnik von Musiker:innen wie Joni Mitchell und Nick Drake. Doch er schätze auch die Einfachheit und Direktheit eines guten Pop-Songs, so Daniel.
Auf seinem anstehenden Album beim unabhängigen Label Inselgruppe will Daniel seinen Sound vertiefen und seinem Schreiben noch mehr Komplexität verleihen. Es gehe ihm nicht mehr darum, bloß auf einen Schicksalsschlag zu reagieren: „Ich will meine Geschichte vollständig erzählen“, sagt er. „Kein Wort soll am Ende unausgesprochen sein.” Auf den noch unveröffentlichten Songs des Albums zeichnet Daniel seine persönliche Reise nach und versucht, sich trotz aller unverarbeiteten Konflikte mit seiner Heimat Wuhan zu versöhnen.
Für Daniel sei die Musik ein Weg, einen Teil seiner Mutter am Leben zu erhalten. Indem er ihre Geschichte erzählt, erzähle er auch seine eigene. Denn ihrer Liebe und Erziehung habe er es zu verdanken, dass er sich heute frei in der Welt bewegen und durch seine Musik entfalten könne. Es sei ihm wichtig, an das Vergangene und Verlorene zu erinnern. „Eben das bedeutet Kunst für mich“, sagt er. „Wenn du all den Schmerz, den du erfahren hast, nur verinnerlichst und ihn nie zum Ausdruck bringst – war dieser Schmerz dann überhaupt echt? War er es wert?“
niah
Ihre Musik sei „traurig“, wurde niah oft gesagt. Inzwischen sagt sie das selbst. Auf ihren Songs fegt ihre Stimme wehmütig über einfache Klavierakkorde hinweg, wird von zarter akustischer Gitarre oder atmosphärischen Synthies begleitet. Wenig lenkt von den Liedtexten ab. Diese handeln meist von Herzschmerz, destruktiven Beziehungen und – vielleicht vor allem – von niahs Suche nach sich selbst.
Sie habe schon immer in jeder freien Sekunde Musik gehört, erzählt die 20-jährige Münchnerin. Ihr balladenhafter Indie Pop und der Inhalt ihrer Texte sind auch Ausdruck ihrer musikalischen Einflüsse. Künstlerinnen wie Gracie Abrams und Julia Michaels beeinflussen niahs Songwriting: „Sie haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, über Themen wie mentale Gesundheit zu schreiben.“ niah erzählt, sie habe selbst jahrelang mit Depressionen und dem Drang nach Selbstverletzung gekämpft. Ohne die Musik anderer Künstler:innen hätte sie vielleicht niemals den Mut aufgebracht, selbst diese Konflikte in Worte zu fassen.
„Das Songwriting ist für mich eine Art Ventil“, beschreibt niah. „Wenn ich gerade etwas verarbeite, dann ist das der letzte Schritt, um damit abzuschließen.“ Und noch etwas könne sie vielleicht mit ihrer Kunst bewirken: Wenn nämlich andere Musiker:innen niah mit ihren Stücken in schwierigen Momenten inspirieren konnten, wolle sie dasselbe für ihr Publikum tun. Traurig könnte man niahs Musik dann nicht mehr nennen.
Die Feierwerk Sessions finden am Samstag, 6. Juli um 19 Uhr im Münchner Feierwerk (Hansastraße 39-41) statt. Der Eintritt erfolgt nach dem Prinzip „Pay what you want“.
Foto 1: Sabine Schmalfuss
Foto 2: Stephan Gillmeier
Foto 3: David Wahl
Titelcollage: Frequenz
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