Vom Kiffen in der Dusche, der Gentrifizierung und Fernbeziehungen: ein Tagebuch aus dem Tourleben und ein erstklassiges Album des Underground-Hip-Hop.
Billy Woods ist einer dieser Rapper, die mit jeder Zeile neue Bezüge herstellen, neue Interpretationsspielräume eröffnen. Seine Verse erscheinen manchmal wie ein Labyrinth, in dem es sich zurechtzufinden gilt. Passenderweise konzipiert der New Yorker auf seinem neuen Album „Maps“ mit dem Produzenten Kenny Segal eine Art Landkarte: ein Reisetagebuch über das Leben auf Tour, das jedoch weniger Orientierung verschafft als sich in fremden Horizonten zu verlieren.
Persönliche Bezüge im Album
Denn Billy Woods verortet sich nicht nur selbst in der Welt, er verortet die Welt in sich. Auf seinem letztjährigen Album „Aethiopes“ projizierte er Erzählungen aus dem persönlichen Mikrokosmos auf die globale Geschichte des Kolonialismus. Assoziationen, die Woods dank seiner jamaikanisch und simbabwisch geprägten Familiengeschichte herstellt, schaffen es immer wieder in seine Texte und werden häufig politisch.
Auch „Maps“ lebt von den Eindrücken, die Woods an fremden Orten wie Souvenirs sammelt. Auf „Soundcheck“ erzählt er vom Kiffen in der Dusche und davon, wie er auf der Bühne seinen Text vergisst. Auf „FaceTime“ von den Spielen, mit denen er auf EasyJet-Flügen seine Zeit vertreibt. Und davon, wie er an seiner Fernbeziehung in der Heimat, dem gentrifizierten Brooklyn, hängt.
Häufig vermittelt Woods das inzwischen fast sprichwörtliche Gefühl, gleichzeitig überall und nirgendwo zu sein. Der Aussichtslosigkeit, die ihn an einsamen Tagen auf Tour in eine Sinnkrise stürzt, verleiht er auf kreative Weise Ausdruck: Er bemüht Vergleiche mit französischen Malern, antiken Königen und Rap-Klassikern aus den 90ern.
Stilistische Sprünge, instrumentale Vielfalt
Seine virtuosen Texte sind dabei wie gewohnt karikaturesk, amüsant und gelegentlich schleierhaft. Produzent Kenny Segal prägt den nachdenklichen und vielschichtigen Charakter des Albums mit stilistisch ausufernden, verkopften Beats. Während hypnotische Gitarrenloops durch „Rapper Weed“ und „NYC Tapwater“ ziehen, ergänzen sich zittriger Kontrabass und skurriles Saxophon auf „Blue Smoke“ zu sprunghaftem Free-Jazz.
Ein Traum für Fans des Underground Raps
Auch Woods‘ Features glänzen auf ihren Gastbeiträgen mit ihrem je eigenen Charme: das Duo ShrapKnel mit spielerischer Chemie auf dem Comic-haften Boom-Bap von „Babylon by Bus“, Danny Brown mit exzentrischem Humor auf „Year Zero“, Aesop Rock mit messerscharfer Wortgewandtheit auf „Waiting Around“. Fans des Underground Raps kommen hier jedenfalls auf ihre Kosten.
„Maps“ führt Billy Woods an kein bestimmtes Ziel. Dieses Album ist nicht Ausdruck einer geradlinigen Suche, sondern der manchmal widersprüchliche Bericht seiner vielen Reisen. Woods wirkt darin wie ein orientierungsloser Kosmopolit, der die Welt von allen Seiten kennt und versucht, in diesem Labyrinth an sich selbst festzuhalten.
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