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Blanko Malte: Masterplan? Nein, danke!

10. April 202513 Min. gelesen

Die Zigarette qualmt zwischen den Fingern, der Kaffee dampft, Malte Borgmann alias Blanko Malte sitzt in seinem Studio in Untergiesing und bastelt mit seinem MPC Live an den Tonspuren. In einer Ecke des kleinen Raums stehen Bass und Gitarren. Vor ein paar Wochen kam sein neuer Song „Schulden” heraus. Darauf singt Malte zu einem entspannten Blues-Riff über Großverdiener, Kredite, Personaleinsparung und Güterzüge. Auf dem Herd kocht der Espresso heran und wir sprechen über Mindset, Songs die in der Schublade landen und das Münchner Lebensgefühl.

Das Gespräch führte Balthasar Zehetmair, Fotos von Wayne Chao.

Zuerst Text und dann Instrumentals oder wie läuft das?

Ach immer unterschiedlich, bei „Schulden” war das Riff von Seli, einem Freund aus Landshuter Zeiten, zuerst da und ich mag halt JJ Cale, da lag das sehr nahe einfach. Dann entstand relativ spontan dieser Text mit Proberaumkomplex und Güterzug fährt vorbei…es sind meistens so Schnipsel von Musik oder Notizen aus denen dann mehr entsteht.

Wie wird aus den Schnipseln der Song?

Also es ist selten so, dass ich mich jetzt hinsetze und sage, ich schreibe einen Song zu dem Thema. Auch bei „Schulden”. Ich bin jetzt kein Finanzexperte oder so, sondern es geistert was dazu rum, ich hack das in die Notizen auf meinem Handy und wenn dann daraus eine konkrete Idee entsteht, meistens fängt das mit dem Refrain an. Das ist immer so ein bisschen ein Stückwerk und ich probiere viel aus. Das harte ist dann die ganzen Strophen zu schreiben.

Würdest du sagen, in der langen Zeit, wo du schon Musik machst, dass du so ein bisschen diesen Punkt erkannt hast, wann ein Song fertig ist?

Ja, im Grunde ist er nie fertig. Also man hat ja immer noch Sachen, die man, wenn man jetzt unendlich Zeit hätte, die man noch ändern würde oder so, weißt du? Oder wenn du ihn jetzt wieder weglegst und dann nochmal…es ist eine schwierige Frage, keine Ahnung. Manchmal verpasst man diesen Punkt. Es gibt leider nie das Patentrezept, es ist jedes Mal irgendwie anders.

Früher warst du in der Band Manual Kant der Frontsänger und Bassist. Damals habt ihr Punk/Alternative gespielt. Ihr habt euch dann 2019 aufgelöst und zwei Jahre später kamen so deine ersten Solo-Songs, wie „Aber dieses Life” oder „Gleiten“, das ging ja eher Richtung HipHop oder Pop. Wie kam es zu diesem Change of Mind?

Ich habe immer schon gerne Pop gehört und auch viel HipHop. Meine musikalische Sozialisation war dann erstmal Punk-Rock mit der Band. Aber dieser Soft-Spot für richtig straighte Pop-Musik war immer da, nur in der Band halt schwieriger auszuleben, weil wir da schon eher diesen härteren Gitarrensound gefahren haben. Und Solo dann hat mich das mehr gecatcht. Manchmal produziere ich mit Sebastian Kretz was, das klingt dann meistens sehr popig, manchmal sitze ich hier an meiner Maschine und es kommt HipHop oder auch mal Techno heraus. Ich mache einfach das was gerade bockt und verfolge da keinen ultimativen Masterplan.

Wir sitzen im kleinen Studio, erst vor ein paar Wochen ist Malte hier eingezogen und der obligatorische Perserteppich grämt sich schon am Boden. Plötzlich drückt der Musiker auf seinem durchgesessenen Bürostuhl auf Play und Techno platzt in den Raum hinein. Ein Demo-Tape. Schneller Rap dazu und bei mir erstmal ein Fragezeichen.
Wie jetzt? Gerade noch entspannter Blues und jetzt Techno-Rap?

Ja, ich weiß auch nicht so genau. Das ist alles ein bisschen random, wie ich vorgehe (lacht). Harry (Quintana) und ich fandens geil, haben Texte geschrieben und ab drauf los.

Verbringst du deinen Sommer eher in der Au oder in der niederbayerischen Prärie?

In der Au, ja, in Niederbayern bin ich nicht mehr so oft. Klar Freunde und Familie sind noch dort, aber ich bin gerne in München im Sommer. Das ist schon so ein Lebensgefühl hier. Ich hab eine Zeit lang in Obergiesing gewohnt und bin dann immer mit dem Rad den Nockherberg hinunter gerollt, das fand ich mega geil, jedes Mal wieder.

Das singst du ja auch in deinem Song „Sommer in der Au“. Wie entstand das? So einfach in einem Flow?

Also zuerst waren die Instrumentals da, diese Orgel und Drums. Ein paar Akkorde die zusammenpassen. Das lag ein paar Monate und dann war ich mal an der Isar unterwegs. Da kam der Text. Ich saß mit einem Freund auf dem Kies beim Deutschen Museum, hab geraucht und die Schmetterlinge flogen durch meine Wolke. (Gestikuliert sinnierend mit dem Finger) Atme ein, Atme aus, Schmetterlinge fliegen durch den Rauch, der Himmel strahlt blau. Und auf der Heimfahrt durch die Au kams mir dann wie geil das ist. Darauf hab ich dann weiter aufgebaut. Beim Schreiben muss man dann schauen was funktioniert, bisschen herumtüfteln von Zeile zu Zeile.

Ich hab den Song damals auf Instagram entdeckt, ging ja bisserl viral, oder?

Ja, da hatte ich voll Dusel. Am Anfang hat der noch gar nicht so sehr performt, aber dann, ich glaub so ein Jahr erst danach, da war so ein Reel von Unreleased Berlin. Diesem Format für Newcomer da. Dort hat dann so ein junges Mädchen plötzlich meinen Song genannt und auf einmal sind meine Spotify-Zahlen explodiert. Da hatte ich echt Glück und hab ihr viel zu verdanken. Ich hab schon mal überlegt ob ich ihr schreiben soll. So Danke sagen, aber kommt ein bisschen creepy oder?

Ja, ja, denk schon.

Ne, dann lass ichs bleiben. Aber auf jeden Fall war das natürlich super!

Wie inspiriert dich so München für deine Texte und Musik?

Ich lebe gerne hier und glaub, das merkt man auch in meiner Musik. Ich hab eine Zeit lang in Berlin gelebt und bin öfters mal nach München gependelt. Da hab ich gemerkt, was ich dort an Schönheit in der Stadt vermisse bekomme ich genau hier. München ist einfach ästhetisch sehr ansprechend und Musik hat ja immer viel mit Ästhetik zu tun, da bedingt sich dann viel gegenseitig. Und das Münchner Lebensgefühl ist ja jetzt nicht so krass hart, sondern eher weich, lieblich, gemütlich, genau wie meine Musik, das passt doch gut in die Stadt.

Auf jeden Fall, es catcht den Vibe sehr gut! Nun machst du ja schon seit ein paar Jährchen Musik, genauer gesagt, seit 2005, wo ihr die Band gegründet habt und schreibst ab und zu auch darüber in verschiedenen Medien. Welche Veränderungen beobachtest du so selber für dich als Musiker?

Also als Musiker selber und mit der Band habe ich schon viel durchgemacht. Irgendwelche Plattenverträge unterschrieben, dieses ganze Gedöns, wir hatten ein Management und so weiter. Als ich dann Solo angefangen habe, ist mir aufgefallen, krass, wie viel ich selber machen kann. Ich meine so scheiße Spotify bezahlt, so geil ist es auch, weil ich selber bestimmen kann, was ich wann wie rausbringe. Ist nichts groß Neues, aber so persönlich für mich war das sehr befreiend. Früher war so immer der Traum eine CD rauszubringen, die dann bei Müller im Regal steht. Und da war dann Aufnehmen, Studio, Label, jeder verdient was mit, ein zäher Prozess. Heute mischt bei mir keiner mehr mit, es ist einfacher geworden, ich kann machen was ich cool finde, haus raus und die Leute feierns oder eben nicht. Ein bisschen Geld kommt auch bei rum, geil.

Plötzlich steht der Rapper Harry Quintana an unserem Biertisch. Der Studio-Mitbewohner von Malte. Das unscheinbare Haus in einer Seitenstraße in Untergiesing ist voll mit Künstler:innen und Musiker:innen. Auf der Treppe begegnet mir Captain Yossarian mit einer Schachtel voller Kabel auf dem Knie. Der Drummer von LaBrassBanda richtet sich hier gerade neu ein.
Harry und Du, ihr habt ja schon öfter zusammengearbeitet und jetzt teilt ihr euch einen Proberaum/Studio. Was verbindet euch so und woher kennt ihr euch?

Schon echt lange. So vor 20 Jahren über einen Freund der bei der Battlerap-Liga RBA damals noch mitmachte. Ich fand seine Musik immer saucool und vor paar Jahren hab ich mal eine Hook für ihn eingesungen. So entstand das. Jetzt ist er auch in München, wir haben einen gemeinsamen Proberaum und planen eine gemeinsame EP zu machen. Aber mal schauen, manchmal wäre ich gern ein bissschen flotter beim Musik machen.

Bisher kamen nur Singles und eine EP bei dir. Auch mal ein Album, wie wärs?

Es ist so viel Arbeit, so ein Album zu machen und braucht so wahnsinnig viel Zeit, die ich mit Familie und Beruf nicht habe. Da muss man ja auch dran bleiben dann. Ich habe es ja selber schon oft genug erlebt, dass man so Songs irgendwie so dreiviertelfertig hat und dann so viel hört, dass man sie irgendwann wegschmeißt, weil man sie nicht mehr hören kann. Beim Album ist die Gefahr noch größer, dass das irgendwann in die Schublade wandert. Da bleibe ich lieber beim Modus immer mal wieder einen Song rauszuhauen. Ist auch rein wirtschaftlich rentabler. Mit Konzept und so, Bock auf ein Album schon, aber Zeit nicht.

Sag mal, du schreibst auf Spotify zu dir: „Sein Mindset ist tagesformabhängig.” Wie ist es heute und was können wir bald an neuer Musik erwarten?

Heute ist mein Mindset bisschen matschig, wir (Harry und Malte) haben gestern Fußball geschaut, Bayern-Inter, es war ein bitteres Spiel. Die letzten Monate waren anstrengend, aber jetzt habe ich zwei, drei Songs, die ich bald fertig habe. Bei mir ist das wirklich so ein Day-by-Day-Ding, ohne wirklichen Masterplan.

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Balthasar Zehetmair - Redaktion

Sucht den Sinn des Lebens in Bob Dylan Songtexten und findet ihn bei den Wildecker Herzbuben. Meistens in Schallplattenläden und immer mit Kopfhörern auf den Ohren zu sehen.

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