Von Berlin über Mannheim bis nach München: Wo man nur hinschaut, muss die Kulturszene derzeit staatliche Kürzungen hinnehmen. Doch die Branche wehrt sich und betont ihren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellenwert.
In der Vorankündigung für das Maifeld Derby 2025 ermutigt Festival-Gründer Timo Kumpf alle Fans: „Save the last ride!” Ein letzter Tanz soll es werden. Denn das Mannheimer Independent-Festival soll nächstes Jahr zum letzten Mal stattfinden.
14 Jahre lang hat die Stadt Mannheim das Maifeld Derby gefördert. Doch diese Förderung plant der Gemeinderat ab 2026 auszusetzen. Auch Anträge, die noch in der Haushaltssitzung zu diskutieren wären, sehen aus Sicht von Timo Kumpf nur unzureichende Zuschüsse vor. Denn die Summe von 100.000 Euro, die das Maifeld Derby in den vergangenen Jahren erhielt, reiche angesichts gestiegener Personalkosten, gesunkener Kaufkraft und Inflation schon länger nicht mehr aus. Die Corona-Pandemie hat das Festival dank zusätzlicher Bundesmittel überstanden, doch auch diese sind inzwischen ausgelaufen. Angesichts dieser prekären Lage hat Timo Kumpf nun das Aus renommierten Festivals verkündet: „Ich kann mich nicht mehr von Jahr zu Jahr hangeln und weiter in dieser Ungewissheit verharren.“
Sparpolitik mit fragwürdiger Wirkung
Das Maifeld Derby ist kein Einzelfall. Bundesweit ist die Politik angesichts einer angespannten Haushaltslage auf Sparkurs – und besonders hart trifft das die Kulturbranche. So will die Stadt München im kommenden Haushaltsjahr über 200 Millionen Euro sparen. 8,5 Prozent dieses Sparvolumens sollen auf das Kulturressort entfallen – obwohl sein Anteil an den Gesamtausgaben der Stadt nur 3 Prozent beträgt.
Auch in Berlin ist die Kulturbranche überproportional von der geplanten Absenkung des Haushalts betroffen. Dabei dürften kleine Häuser, privat finanzierte Theater und auch die eigentlich sanierungsbedürftige Komische Oper stärker unter die Räder kommen als große Institutionen wie die Opernstiftung. Aber weil der Anteil am bisherigen Etat in der Hauptstadt ähnlich gering ist wie in München, helfen die Einsparungen ohnehin nur bedingt, um finanzielle Löcher zu stopfen.
Nun mag es in Zeiten einer schwächelnden Wirtschaft und bundesweit drohender Arbeitsplatzverluste im Industriesektor hinnehmbar erscheinen, an der Kultur zu sparen. Aber ist es nicht gerade die große Vielfalt an kulturellen Angeboten, die Berlin in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten überhaupt so attraktiv gemacht hat?
Ein Ungleichgewicht bei der Kulturförderung
Ähnliche Einwände sind aus Mannheim zu hören. So sind laut Timo Kumpf bereits 2016 durch das Maifeld Derby fast eine Million Euro indirekt der Stadt zugutegekommen, so der Bericht einer renommierten Agentur. Seitdem das Maifeld Derby außerdem bei den European Festival Awards 2023 zum „Best Small Festival“ gekürt wurde, hat seine Strahlkraft und damit auch die Attraktivität der Metropolregion weiter zugenommen. Doch mit diesem Argument konnte Kumpf die politischen Entscheidungsträger:innen offensichtlich nicht überzeugen.
Der Interessensverband Clubkultur Baden-Württemberg spricht vom Maifeld Derby als „essentiell für eine vielfältige und lebendige Kulturlandschaft“. In einer Reaktion auf das angekündigte Festival-Aus kritisiert der Verband ein Ungleichgewicht bei der Kulturförderung in Deutschland: „Während die Hochkultur – Oper, Theater, klassische Musik – oft mit großzügigen Mitteln bedacht wird, kämpfen die sogenannten freien Kulturformen, die Clubs, Festivals und kulturellen Freiräume, ums Überleben.“
Die Branche wehrt sich
Aus der Branche weht der Politik teils heftiger Gegenwind entgegen. In Berlin haben sich viele Kulturschaffende zu sogenannten „Trauermärschen“ versammelt und damit zumindest ein teilweises Einlenken der Regierungskoalition aus CDU und SPD bewirkt: Diese hat nun mehrere Theater von den Kürzungen ausgenommen – wobei Museen, Komische Oper und freie Szene weiterhin kaum aufatmen können. In München hat sich, wie Frequenz kürzlich berichtete, das Bündnis #MünchenIstKultur geformt und in einem offenen Brief gegen die geplanten Kürzungen protestiert. Darin machen sich die Unterzeichner:innen für die Idee kultureller Vielfalt stark und schreiben der Kultur eine wichtige Rolle in Zeiten zunehmender Polarisierung zu. Währenddessen spricht Timo Kumpf davon, mit dem Maifeld Derby einen „Bildungsauftrag“ zu erfüllen.
Es sind Worte von großer Tragweite, mit denen sich derzeit Branchenvertreter:innen gegen die kulturpolitischen Entwicklungen zur Wehr setzen. Damit rücken sie eine ganz grundlegende Frage auf die Tagesordnung: Was ist uns Kultur eigentlich wert?
Titelbild: Kateryna Hliznitsova – unsplash
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