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Changes All The Time – James Bay

22. Oktober 20245 Min. gelesen

Schnell erkennt man ihn an seinen langen Haaren und dem Dauertragen eines Huts, doch man bleibt für seine Stimme und Melodien. Eine Kurzanalyse und ein Eindruck seines neuesten Albums.

Ich muss ehrlich sein. So richtig auf meinem Radar war James Bay nicht mehr. Das heißt nicht, dass ich mich nicht lebhaft an runtergefahrene Fenster und das Mitsingen von „Hold Back The River“ damals im Jahr 2015 erinnere. Aber für mich war das Phänomen Bay danach von der Bildfläche verschwunden. Bis ich mir eine Suchaktion nach neuer Musik auf Spotify erlaubte (es war an der Zeit, meine drei geliebten Playlists erstmal stillzulegen) und was sehe ich? Eine Kollaboration mit The Lumineers und Noah Kahan. Ich war fasziniert.

Er hat es schlau angestellt. Denn das Album „Changes All The Time“, das am 4. Oktober 2024 erschien, startet mit eben jenem Song, „Up All Night“. Ist das „the holy trinity“? Das Aufmacherlied von Bays vierter Album-Veröffentlichung versprüht jedenfalls Funken. Der Rhythmus geht dabei ins Ohr, der mitreißende Beat und ein schwungvolles Gitarrenriff verhelfen der durchgängigen Leichtigkeit des Liedes. Ganz im Gegensatz zum Inhalt: Ängste und Sorgen, die eine Schlaflosigkeit verursachen, stehen im Mittelpunkt: „Let’s talk about all the things that keep us up at night“. Das hält nicht davon ab, dass der Song nach unglaublich viel Spaß im Studio klingt, Kahan und The Lumineers zwar keine eigene Strophe bekommen, allerdings durchgängig im Hintergrund zu hören sind. Gute Laune ist vorprogrammiert!

Bild: Caily Krone

Wie steht es um den Rest der Songs? Der zwei-meistgestreamte auf Spotify nennt sich „Easy Distraction“. Wenn ich ehrlich bin, startet er ein bisschen wie David Bowies „Heroes“, erinnert direkt an die Szene im Kultfilm „The Perks of Being a Wallflower“, als Emma Watson im Cabrio steht, die Hände nach oben gerissen. „I wanna claw my way back to what we had / I’ll swallow all the pride I paraded / Just to see you“ – ein weiteres Liebeslied, mit positivem Sound, die Schnelltaktigkeit und die durchgängig gutgelaunte Gitarre sprechen für sich. Brandon Flowers von The Killers hat hier geholfen, hat das Lied mit seiner Expertise beeinflusst. Bay erklärt der Musikwebsite NME selbst:

“The song is about realising too late that someone means so much to you, but you still want to show them and let them know. It’s exploring how, in the face of adversity we can still reach out, we can still connect.”

Jazzig geht es weiter. „Speedlimit“ ist durch die gefühlsvolle Stimme Bays ausgezeichnet, er klingt nach Soul. Ein Liebeslied, eine Hommage der lyrischen Traurigkeit: „If love is a door / That we walk through together / Then how come we can’t find the key?“. Bay zeigt hier seine Bandbreite, er lässt sich nicht auf wenige Kategorien und Schubladen einschränken. „I broke the speed limit to get to you / I cut a valley through the rain / Held a vigil at the bar / Little candle in a jar / Just to find you gone“. Ein eindringlicher Bass, eine allseits begleitende Gitarre, hervorstechende Schlagzeugtöne dominieren das Lied, der melodische Hintergrundgesang transportiert in eine verdunkelte Jazz-Bar an einem späten Freitagabend.

Bild: Caily Krone

Das Album endet auf einer ruhigeren Note. Mit „Dogfight“ trifft Bay erneut ins Herz. Eine ausdrucksstarke Gitarre begleitet den Sänger, langsam wird auf den Refrain hingearbeitet. Es klingt sanft, doch fühlt sich mächtig an. Beim Refrain angekommen, singt Bay: „Hell, it’s been rough / It’s been a dogfight / There’s someone in the mirror that I don’t recognise / He’s kinda familiar, but he’s lost / And this time / I’m not losing me“. Astreiner Pop-Herzschmerz, der hier von den Ohren in den Körper fließt. Die Verzweiflung wechselt gegen Ende des Liedes in Hoffnung, Bay wiederholt „It’s gonna be alright“. Als würde er es einem selbst erklären. In einem Crescendo entwickelt sich diese Zeile immer weiter, immer ausgedehnter, immer größer. Er wird wieder leise. Er verstummt. Die Melodie zieht sich weiter, lässt den Zuhörenden Platz für ihre eigenen Gedanken. Ein gelungener Abschluss des Albums.

Bild: Universal Music

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Annika Block - Redaktion

Zwischen Alltagsstress und Unidruck so oft es geht auf Indie-Konzerten, in der Sonne mit einem Buch in der Hand oder am Abgehen zu „You Can Call Me Al“ zu finden. Täglich am neue Musik entdecken – und am besten direkt darüber schreiben.

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Auch ein guter Beitrag!
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