Explosiver Post-Punk mit Tiefgang und viel Raum für Gedanken. Was macht die Musik der neuen Band Das Format aus Augsburg so spannend? Eine grübelnde Hörprobe.
Das selbstbetitelte Debütalbum der Augsburger Band Das Format ist draußen und bei diesem Namen kommt schnell eins in den Sinn: So formal, so deutsch, das ist bestimmt entweder Neo-Krautrock mit monotoner Stimme und glatten Synthies oder Intellektuellen-Rock ganz in der Tradition von Dirk von Lowtzow oder Frank Spilker. Doch es kommt ganz anders. Tausch die Synthies durch Schleifpapier aus (wirklich grobkörnig) und gib zu intellektuellen Texten noch einen großen Schuss Post-Punk dazu, dann hast du die Musik von Das Format. Hier explodieren die Töne aus den Instrumenten, so wütend und ehrlich. Es bricht richtig raus.
Triumvirat der Augsburger Musikszene
Diese neue Band ist ein Querschnitt der Musikszene der Fuggerstadt. Da ist Bruno Tenschert, der ins Mikrophon haucht, singt oder schreit und der hier und da als Fotograf und bei Independent-Labels herumwuselt. Am Bass, der manchmal so unauffällig manchmal so bestimmt daher kommt, zupft Maximilian Stephan, der von der Progressive-Rock-Band Carpet bekannt ist. Und mit Maximilian Wörle am Schlagzeug, so laut und krachig, aber mit dem Rhythmus verliebt und geschätzter Produzent mit besonderen Gehör ist das Trio komplett. Doch Das Format ist bloß kein Recycling, sondern schafft einen ganz eigenen Stil.
Literarische Anspielungen und kurze Zündschuren
Ruppig geht es mit „Liegen Lernen“ los, frei nach dem Roman von Frank Goosen geht es hier um die Kunst, im Leben einfach bei sich zu sein. Zwischen monumentalen wie kreischenden Gitarren lässt die seichte Stimme den Gedanken freien Lauf. Es sind oft einfache und kurze Texte, die immer mit einem doppelten Boden und vielen literarischen wie popkulturellen Anspielungen unterlegt sind. Hier ist es Erich Kästner, da Rio Reiser, dort Marc Fischer. Knackig und mit kurzer Zündschnur legt „Wir Wären Nicht Wir“ alles in Schutt und Asche, “Lichtmaschine“ stellt alles in Frage und „14:30″ baut sich danach schön auf mit einer eingängigen Bassline – hier schleicht sich ein bisschen Indie-Pop ein. Es geht um Freundschaft und Beziehungen. Ein Song, der einen beim Hören angenehm umspielt. Die Worte und der Gesang von Tenschert bleiben im Ohr kleben, die ausgeglichene und feinabgestimmte Produktion gibt allen Instrumenten genügend Raum. Dadurch wirkt diese Musik auf mehreren Ebenen. Sowohl mit den intellektuellen Texten als auch der gereizten Geräuschkulisse.
Wirkungsvolle Intonation
Dies tritt beim Song „Therapiestunden“ besonders eindrücklich hervor. Ein Song mit einem wirkmächtigen Titel, der an der Fassade unserer durchgetakteten, hyper-perfektionistischen Gesellschaft kratzt, in der vieles immer verfügbar ist und vieles scheinbar weggewischt wird. Doch das sind nur Assoziationen zu einem einfachen, repetitiven Text in diesem Song, der sich langsam und gewaltig aufbaut. Nervös und wabernd dreht sich alles nur um die Zeile „Wir brauchen alle viel mehr“, es wird schneller und schneller, lauter und lauter, es kommen hier Störgeräusche und da verzerrte Stimmen dazu und dann bricht alles raus. Das scheinbar so Unaussprechliche wird ausgesprochen, herausgeschrien: Therapiestunden! Dieses zentrale Stück auf dem Album verhandelt den sozialen Umgang mit psychischen Problemen sehr offen und wirkungsvoll.
Raum für Interpretation
Denn das macht die Musik von „Das Format“ so spannend. Die Texte sind oft nur Umrisse und vage gehalten, geben Denkanstöße und Raum für Interpretation, sind wie Gedanken. Es ist bewusst offen gehalten und setzt doch immer wieder Akzente, die mit viel Bedeutung aufgeladen sind. Die destruktiven, eingänglichen Instrumental-Landschaften intensivieren diese emotionale Wirkung der Songs und bilden mit viel Sinn für detailreiche Kompositionen ein geschlossenes Ganzes. Laut, mit einem Gespür für Rhythmus erklingt Post-Punk in Noise-Wellen, so traurig und wütend zugleich.
Titelbild: Manuel Nieberle
Was denkst du?
Kommentare anzeigen / Kommentar hinterlassen