Wie kaum eine andere zeitgenössische Rock-Band verkörpert Queens of the Stone Age den obszönen Schrecken in ihrer Musik.
Alles, was Queens of the Stone Age für einen „Feel Good Hit of the Summer” brauchen, nennen sie in ihrem Liedtext: „Nicotine, Valium, Vicodin, marihuana, ecstasy and alcohol! C-c-c-cocaine!” Es muss ja nicht immer ein literarisches Meisterwerk sein. Oder jugendfrei.
Es ist das Jahr 2000, als die Band aus der kalifornischen Wüste mit diesem Spaß-Lied zugleich eine Satire auf das Rockstar-Leben schreibt, das sie selbst verkörpert. Dem Witz liegt eine dunkle Wahrheit zugrunde. Denn es ist heute kein Geheimnis, dass Josh Homme, der Frontmann der Band, selbst lange Zeit mit Alkoholismus und Drogenmissbrauch gekämpft hat.
Der Schrecken ist kein Spiel mehr
Schwarzer Humor gehört zur Persönlichkeit von Hommes Musik. Der Musiker und Produzent kleidet Häme, Bedrohlichkeit und Selbstzweifel gerne in spielerische Kostüme. Die Grooves seiner Band sind seit jeher wuchtig und verführerisch, unbarmherzig und sexuell aufgeladen. Es ist, als lasse man sich beim Drücken des Play-Knopfes auf einen Tanz mit dem Teufel ein.
„Songs for the Deaf“, das Opus Magnum der Stoner-Rock-Band, ist als Fahrt durch die Tiefen der Wüste und die lokalen Radiostationen stilisiert. Ein stürmisches Gitarrenriff, ein stahlhartes Schlagzeug-Solo jagt das nächste – und zwischendrin immer wieder absurde Radio-Werbespots, die von der sengenden Hitze, den Sandstürmen und Mosquitos ablenken.
Mit noch mehr psychologischem Schrecken gibt sich das Nachfolgeralbum „Lullabies to Paralyze“ von 2005 der Angst und der Ketzerei hin. Es geht um Hexen, Wölfe und Geisteswahn. Doch es ist erst 2013 auf „…Like Clockwork“, als das nagende Unbehagen in keiner Weise mehr ein Spiel ist. Hier beschwört Homme nicht mehr ausgedachte Dämonen herauf, sondern setzt sich mit den eigenen auseinander: Er schreibt über Drogenmissbrauch, eine Nahtoderfahrung und seine darauffolgende Depression. Die atmosphärische Tiefe, mit der Queens of the Stone Age schon immer gespielt haben, dient nun dazu, Hommes emotionalen Aufruhr in seiner Vielschichtigkeit zu vertonen.
Flucht in die Ironie?
Nach diesem Album richtet die Band ihren Blick wieder auf die Außenwelt. Sie wendet sich dem Glam Rock zu; ihre Grooves klingen wieder protziger, tanzbarer. Auf dem diesjährigen Album „In Times New Roman…“ konzentriert sich Homme weniger auf Innenschau und Selbsterforschung. Er konfrontiert die politischen Probleme der Zeit. Und doch wird klar, wie sehr ihn die wahrgenommenen Missstände persönlich ergreifen: der überbordende Kapitalismus, der gesellschaftliche Diskurs, den er von „Fake News“ und Opfererzählungen geprägt sieht. Einige seiner Aussagen können sowohl politisch verstanden als auch auf die gescheiterte Beziehung zu seiner Ex-Frau bezogen werden. Im moralischen Chaos wirkt Homme orientierungslos und flüchtet sich wieder einmal in die Ironie.
Auch in der visuellen Gestaltung von „In Times New Roman…“ schlägt sich das Groteske nieder.
Foto: Boneface
Der matte, etwas ausgewaschene Produktionsstil ihrer letzten beiden Alben nimmt Queens of the Stone Age heute teils den Detailreichtum vieler früherer Werke. Er spiegelt zugleich wider, dass die Nuancen zwischen Hommes Angst und seinem Humor in seinen Texten zunehmend verwischen. Doch vielleicht ist der düstere Witz, den Queens of the Stone Age wie kaum eine andere Band im Mainstream-Rock perfektioniert haben, heute nicht nur machohaftes Getue oder emotionale Unreife. Vielleicht erkennt Josh Homme seine Machtlosigkeit ein Stück weit an und lernt mit ihr zu leben. So lautet ein Refrain auf dem neuen Album: „When there’s nothing I can do, accept, enjoy the view / When there’s nothing I can do, I smile.”
Titelfoto: Antje Naumann
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