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Das Problem mit dem Üben

8. Februar 20248 Min. gelesen

Es gibt zu wenig Proberäume in München und zu viel Nachfrage. Wir haben nachgefragt, bei unabhängigen Musiker:innen und der Stadt. Wie gehen sie damit um und was wird gemacht?

Von Annika Block und Balthasar Zehetmair

Ein ruhiger Raum mit einem Tisch, zwei Laptops – mehr brauchen wir nicht, um diesen Artikel zu schreiben. So privilegiert, denn so einfach. Ein Haufen Komplikationen kommt dagegen für  Musiker:innen und Bands hinzu. Diese benötigen einen Proberaum, ein Studio und – natürlich – erst einmal Equipment. Aber das ist weniger das Problem: Vielmehr gibt es keine oder wenig bezahlbare Orte zum Üben, zum Spielen, zum Aufnehmen. Da werden viele in der Not kreativ, wie Boris und Korbinian von der Band Stabat Kater erzählen: „Wir haben damals in Korbis Zimmer geübt, das eigentlich als Umkleide genutzt wurde. Die Kleidungsstücke dienten als Absorber.“ Oft ginge es nicht anders, und wenn die ganze Band zusammenkommt, geht die Fahrt fürs Proben halt bis hin ins Allgäu zum Elternhaus – denn ernsthaft Musik machen könne man in München nur mit „Glück oder Vitamin B“. 

So wie ihnen geht es vielen Musiker:innen und Bands in München. Für diesen Artikel haben wir uns umgehört: Wo hakt es? Und welche Impulse kommen von der Stadt, um die Lage zu verbessern? 

Wie auf dem Wohnungsmarkt braucht es auch gerade bei der Suche nach einem Proberaum in München viel Geduld und Glück. Das hatte der Jazzpianist Sebastian Pfeifer alias Beifer. Durch Kontakte konnte er sich im Fat Cat, der Zwischennutzung im ehemaligen Gasteig,zusammen mit Freund:innen einmieten. „Wir haben den alten Kontrabassraum bekommen, der ist total bezahlbar, weil wir ihn durch vier teilen. Ich glaube, billiger geht es in München kaum”. Ein scheinbarer Einzelfall, denn der allgemeine Tenor lautet: Das kann man sich nicht leisten. 

Der Proberaum von Sebastian Pfeifer alias Beifer in der Zwischennutzung des ehemaligen Gasteigs, Fat Cat. Foto: Sebastian Pfeifer

Effiziente Nutzung von Gebäuden

Dabei ist dieser Engpass nichts Neues. Seit über 30 Jahren ist Andreas Staebler alias G.Rag in der Musikszene der Landeshauptstadt aktiv. Kurz und knackig fasst er das Problem zusammen: „Die Lage ist genauso katastrophal, wie sie es schon immer war.“ Es müssten stichfeste Änderungen her, denn „eigentlich müsstest du als junge Band einen Raum haben, wo du dich wohl fühlst, wo du kreativ sein kannst, und den du dir leisten kannst.” Seine Lösung, wenn er Bürgermeister wäre: Bürogebäude, die über längere Zeit leer standen, zur neuen Nutzung freigeben.  

Doch einen ähnlichen Ansatz verfolgt die Stadt bereits. „Zum Beispiel beim Neubau der Grundschule Aidenbachstraße wurden gleich zwölf Musikproberäume, die schallakustisch perfekt abgestimmt und ausgestattet sind, miteingeplant“, sagt Tanja Mottl vom Kulturreferat. Diese und weitere Räumlichkeiten, wie im Atelierhaus am Domapark, würden per Ausschreibung kostengünstig vermietet. „Außerdem entsteht gerade ein Musikproberaumzentrum neben dem Feierwerk mit zehn weiteren voll ausgestatteten Räumen. Zudem werden Mietzuschüsse für Musiker:innen und Bands, die bereits einen Proberaum haben, vergeben.” Die Stadt ist sich also durchaus den Problemen bewusst und will viele Angebote schaffen, um kleine, unabhängige Musiker:innen und Bands zu fördern. Es gibt Projektstipendien für Popmusik und junge Kunst, die teilweise schon seit den 1980er Jahren vergeben werden, Programmförderungen, Veranstaltungszuschüsse. „Die Popmusik-Produktionsstipendien erfreuen sich großer Beliebtheit und mit der Summe von 8.000 € werden alle Freiheiten gelassen, eigene Projekte umzusetzen. Sei dies nun die Aufnahme eines Albums oder der Dreh eines Musikvideos“, erklärt Mottl. 

Stipendien als Karriereboost und langfristige Projekte

Diese Förderung konnte G.Rag mit seiner Band Los Hermanos Patchekos genießen: „Als Vinyl-Liebhaber und bei gestiegenen Preise nach der Pandemie hilft das natürlich und entspannt die Lage.“ Dem Rapper Momo Novus brachte das Popmusik-Produktionsstipendium einen Karriere-Boost: „Mit dem Geld konnte ich meine Musik auf ein neues Level bringen, was Mixing und Mastering betrifft, aber gleichzeitig bekam ich das Gefühl, dass mein künstlerisches Schaffen ernst genommen wird.” Am Ende des Stipendiums gibt es eine Preisverleihung sowie die Bewertung einer professionellen Jury. Förderungen wie diese helfen, schöpfen Hoffnung. Dennoch sollte das Ziel sein, nicht nur temporäre Hilfen zu leisten, sondern langfristig in Independent-Musiker:innen und Bands zu investieren – so kann München aufblühen, so kann Musik am Leben bleiben. 

So sieht das Proben bei G.Rag y los hermanos patchekos aus. Foto: Hagen Keller

Mit der Arbeit des Kompetenzteams für Kultur- und Kreativwirtschaft sowie der Fachstelle Pop des Feierwerks soll die angespannte Lage auf lange Sicht aufgelockert werden. „Es fehlt in einer so dicht besiedelten und teuren Stadt wie München oft an (Frei-)Räumen und Möglichkeiten, damit junge und kreative Köpfe ihr Potenzial voll entfalten können. Ein weiteres Problem sind die allgemein immens gestiegenen Kosten, um die ersten Songs aufzunehmen und dann am überfluteten Musikmarkt auch sinnvoll zu platzieren“, sagt Julia Viechtl von der Feierwerk Fachstelle Pop. 

Auch für Stabat Kater brauche es mehr Sichtbarkeit, mehr Wertschätzung. Tausende Euro vorzustrecken ohne Garantie für einen Ausgleich sei auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten. Mit Initiativen wie der Popkonferenz LISTEN TO MUNICH will Viechtl allen Akteur:innen der Szene eine Plattform geben, sich auszutauschen und gemeinsam Lösungen zu finden. Mit ihrer Arbeit will Viechtl vernetzen und gerade jungen Musiker:innen zeigen, welche Möglichkeiten – nicht nur der finanziellen Förderung – es gibt. 

Bei der Preisverleihung zu den Musikstipendien, haben Musiker:innen und Bands die Möglichkeit ihren Sound auf die Bühne zu bringen. Hier: Sarah Mettenleiter und Frederik John mit ihrem Projekt „Sarah und das Nix“ Foto: Alescha Birkenholz

Wenig Besserung in Sicht? 

Denn, so hart es klingt, scheinen diese Engagements und Initiativen nur ein metaphorischer Tropfen auf den heißen Stein. „In den letzten Jahren gab es einen starken Anstieg bei den Bewerbungen für die Stipendien“, beobachtet Tanja Mottl vom Kulturreferat. Also nicht nur hier gebe es eine hohe Nachfrage. Aufgrund eines permanenten Platzmangels gebe es wenig bezahlbares Angebot. So schnell sei daher keine Änderung an diesem Status Quo in Sicht. „Dazu kommt, dass immer wieder Räume wegen wirtschaftlicher Verdrängung oder Lautstärkeproblematiken schließen. Neue Räume sind hingegen schwer zu erschließen“, erklärt Viechtl vom Feierwerk Fachstelle Pop. Die Musikszene in München boomt nach der Pandemie, aber sie gerät doch ins Stocken. 

Titelbild: ©USCHI-BAND

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Annika Block - Redaktion

Zwischen Alltagsstress und Unidruck so oft es geht auf Indie-Konzerten, in der Sonne mit einem Buch in der Hand oder am Abgehen zu „You Can Call Me Al“ zu finden. Täglich am neue Musik entdecken – und am besten direkt darüber schreiben.

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