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Wie Country die Mainstream-Welt neu erobert

5. März 20246 Min. gelesen

Ein bisschen Yeehaw steckt doch in uns allen. Wir fragen uns: Hat Country gerade einen Comeback? War es jemals von der Bildfläche verschwunden? Und was hat Beyoncé damit eigentlich zu tun?

Line Dance, das kennt man meistens nur aus dem Film „Footloose“ und so ganz greifbar ist das amerikanische Phänomen für Nicht-Staatler:innen eh nicht so ganz. Doch bei Dashas neuem Album bewegen sich die Beine und Füße wie von allein – besonders der virale Song „Austin“ fordert zum Tanzen auf, inklusive Choreographie. Um wen handelt es sich hier?

Dasha, die 24-jährige, in Kalifornien geborene Sängerin, fing schon früh mit dem Musizieren an. So erklärt sie dem Magazin CountrySwag etwa, dass sie von klein an eine große Liebe für Gedichte innehatte. „I was a really dramatic child, so the idea of writing all of these poems about the boys I liked in class, I loved it, and it was really exciting for me. I was already songwriting without knowing what songwriting was.” Ihren ersten Song veröffentlichte sie mit 13 Jahren. Ein Pop-Song, wie die meisten ihrer darauffolgenden Veröffentlichungen. Erst 2020 kam ihr scheinbar aus dem Nichts der Einfall: Sie müsse sich der Countrymusik hingeben.

Ein Einfall, den sie direkt umsetzte. Nach der bereits im Oktober erschienenen Single „Even Cowboys Cry“ teilte sie Mitte Februar ihr zweites Album, voll Cowgirl-, Pferde- und Westerngefühle, mit der Welt. Es ist ein kurzes Album, doch es steckt Herzblut und Schweiß drin. Typisch Countryleben halt. 

Bild: Tanner Deutsch

Nach Pop kommt Country

Mit dabei: „Austin“. Der Song sprudelt vor Wut, ein Expartner wird angeklagt, der einschlägige Rhythmus steigert bis zum Refrain immer weiter die Anspannung. Mit Akustikgitarre, Bass und Klavier schafft es Dasha, einen eingängigen Hit zu kreieren. „Where there’s a will then there’s a way and I’m damn sure you lost it / Didn’t even say goodbye / Just wish I knew what caused it“, es ist Wut, es ist Trauer, es sind ziemlich viele und gemischte Gefühle. Und wir wissen alle: Nichts hört sich besser an als ein bisschen (zu) laut gewordener Ärger. „The song was done in a matter of an hour [but] Austin is one of my favorite songs that I’ve ever written“, gibt die Sängerin zu.

Die Menge an Emotionen zieht sich durch das Album hindurch. „42“ ist im Gegensatz zu „Austin“ ruhiger, weniger Country, mehr Folk und Indie-Pop, kann man beinahe behaupten. Das überrascht nicht, denn nach Jahren an Popkreationen wird es nicht so einfach sein, das verinnerlichte Produzieren gehen zu lassen. Und so wirklich Country ist das Album eben doch nicht, auch wenn es nett auf den Ohren klingt. Dennoch, das Instrumentalensemble ergibt Sinn: Mit lediglich einer Akustikgitarre und einem Bass steht Dashas Stimme im Vordergrund, erinnert an Vergangenes und fragt:

„And my toothbrush in your bathroom / And you can tell I’m tryna act cool / But do I finally get to have you?“

Verzweifeltes Verlangen macht ja doch die besten Lyrics. Dashas Inspirationen Kacey Musgraves und Noah Kahan sprechen Bände.

Nach Prärien und Ranches klingt ebenfalls das vorhin erwähnte „Even Cowboys Cry“. Streicher unterstreichen die Melancholie. Eins muss man Dasha lassen: Wenn sie sich etwas vornimmt, so macht sie es wenigstens lyrisch richtig – und singt hier: „And I know that your boots are muddy / But you can hang ‚em up next to mine / You ain’t gotta lie / ‚Cause even cowboys cry“. Das wäre wohl ein optimales Outro für die Serie „Yellowstone“. Aber wir wollen beim Thema bleiben.

Ein Blick gen Westen

Die Countryliebe scheint allgemein wieder im Kommen zu sein: So hat Queen Bey vor wenigen Wochen „Texas Hold ‚Em“ veröffentlicht, Fans fahren darauf ab, sie ist die erste Schwarze Frau mit einem Song an der Spitze der Country Charts und erinnert so an ihre Heimat Houston in Texas. Dass sie mit ihrer neuen Single die Country-Stereotypen und Number-1-Hits in weiß, konservativ, grob durchbricht, war längst überfällig und wird von vielen Seiten applaudiert. Dass Beyoncé diese gegensätzlichen Tendenzen in den Mainstream bringt, trifft auf Kritik bei Konservativen.

Bild: WDR

Denn nicht alle sind überzeugt: Das sei kein Country, das sei ein Banjo und ein Wunsch nach einer Genreänderung. Viele Konservative wollen keine neuen Einflüsse, kein Rütteln an alten Mustern, Hierarchien erhalten bleiben.  So habe der Radiosender KYKC in Oklahoma das Lied erst nicht spielen wollen, wie die WELT verkündet. Es werde um Deutungshoheit gerungen, neue Countrykomponist:innen reihenweise abgelehnt. Damit muss sich abgefunden werden, denn es scheint: Die Billboard-Number-Einsen sollen country-siert werden. Und wenn Beyoncé einmal vorlegt, gibt es kein Zurück mehr.

Bild: Adam Budd

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Annika Block - Redaktion

Zwischen Alltagsstress und Unidruck so oft es geht auf Indie-Konzerten, in der Sonne mit einem Buch in der Hand oder am Abgehen zu „You Can Call Me Al“ zu finden. Täglich am neue Musik entdecken – und am besten direkt darüber schreiben.

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