Jedes Jahr aufs Neue wird rund um die Osterfeiertage das Tanzverbot diskutiert. Ist dieses noch zeitgemäß? Was wird diskutiert und gibt es Lösungen? Einblicke in die Debatte.
Plötzlich verstummen die Beats zur späten Stund am Gründonnerstag. Aus den Lautsprechern im Unter Deck in München erklingt eine Ansage des Bunds für Geistesfreiheit. Diese Party heute dürfe nur mit einer Ausnahmeregelung stattfinden, solange diese ein „Ausdruck einer weltanschaulichen Abgrenzung gegenüber christlichen Glaubensbekenntnissen“ sei. Nach langen Minuten bürokratischer Erklärungen vom Band läuft die Musik wieder, es wird weiter getanzt, doch der Streit um das Tanzverbot zieht sich weiter. Am umstrittensten Feiertag des Jahres, dem Karfreitag, kommt die Debatte jedes Jahr aufs Neue hoch. Sind die stillen Feiertage noch zeitgemäß? Wie ist das Stimmungsbild? Welche Lösungsvorschläge gibt es?
Viel Bürokratie statt ausgelassener Feier
Gleich an neun Feiertagen darf in Bayern nur mit der genannten Ausnahmeregelung getanzt werden. Auf Beschwerde des Bunds für Geistesfreiheit München (bfg) hin machte das Bundesverfassungsgericht 2016 den Weg dafür per Beschluss frei. Und so wird im Unter Deck und 11 weiteren Clubs in München in einen der höchsten Feiertage des Christentums hineingetanzt.
So befremdlich und seltsam diese Ansage in der Dunkelheit des Dancefloors wirkt, so kontrovers wird seit Jahren über die Frage gestritten, wie zeitgemäß die stillen Feiertage noch sind. Die Zahl der Kirchenaustritte befindet sich auf einem Rekordniveau und nicht mal mehr die Hälfte der deutschen Bevölkerung ist christlichen Glaubens. Es herrscht viel Unverständnis und die Forderungen nach einer Liberalisierung des Feiertagsgesetzes, besonders in Bayern, sind laut.
„Das Tanzverbot muss weg. Ein solches Instrument der Bevormundung und Kontrolle von Menschen hat in einer Demokratie nichts zu suchen.“
Assunta Tammelleo, Vorsitzende des Bunds für Geistesfreiheit München
Mit einem ganzen Bataillon an Parties und einer Kundgebung unter dem Motto „Holy Shit – Let us dance“ über die Osterfeiertage protestiert der bfg in Regensburg und München gegen das Tanzverbot an den „Stillen Tagen“. In Nürnberg wurden geplante Veranstaltungen durch das Ordnungsamt untersagt. Auch der Bundesverband Deutscher Discotheken sieht darin einen großen Umsatzverlust für die Betriebe. Gerade in Bayern würden die Clubbetreiber:innen durch die besonders strikten Regelungen besonders hart getroffen.
Der Staat stellt sich quer, nicht nur in Bayern
Doch die Politik stellt sich weiterhin quer. Das Bayerische Innenministerium sieht, auf Anfrage der dpa, den Karfreitag als wichtigsten christlichen Feiertag an. Stille Feiertage würden die Möglichkeit der inneren Einkehr, der Besinnung und des Gedenkens bieten. Außerdem wird das Tanzverbot an neun Tagen im Jahr als verhältnismäßig bezeichnet, und dieses würde Veranstalter und Bürger nicht sehr belasten. Aber auch in anderen Bundesländern wird das Tanzverbot, wie im Berliner Innensenat, mit der „christlichen Prägung“ begründet und Verstöße werden vom Ordnungsamt mit Geldstrafen geahndet.
Blick in die Kommentare: Was und wie wird diskutiert?
Auf Social Media wird zu diesem Thema viel diskutiert. Oft ist dabei zu lesen, dass es sich dabei nur um wenige Tage handle und der Verzicht auf das Tanzen zu lauter Musik ertragbar wäre. Gleichzeitig geht es um das grundsätzliche Prinzip der Bevormundung sowie auch den Respekt vor religiösen Feiertagen. In Anbetracht der Tatsache, dass die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Kirche in den letzten Jahren stark abnimmt, wird das Verbot oft als überholt und nicht mehr nachvollziehbar gesehen. Ein anderer verbreiteter Appell ist ein Umdenken bei den gesetzlichen Feiertagen: diese nicht mehr bis auf wenige Ausnahmen rein religiös zu besetzen, sondern andere Tage von historischer oder gesellschaftlicher Bedeutung zu Feiertagen zu erheben.
Dabei schweift der Blick auch in andere mehrheitlich christlich geprägte Länder wie Italien oder Großbritannien. Dort werden der Karfreitag oder auch die Weihnachtsfeiertage offener, weniger strikt und durchaus deutlich lauter angegangen. Eine interessante Regelung der Feiertage auf der Insel Malta wird immer wieder als Lösungsvorschlag erwähnt. Hier sind alle christlichen Feiertage abgeschafft und stattdessen bekommen die Arbeitnehmenden 15 flexible Feiertage. Diese könnten schließlich nach individueller Bedeutung festgelegt werden. Doch gerade in Bezug auf Bayern wird unter vielen Kommentator:innen das von Ministerpräsident Markus Söder so häufig proklamierte Motto „Leben und leben lassen“ in dieser Thematik als sehr einseitig interpretiert gesehen.
Wenig Auswege
Die Debatte und der Streit um das Tanzverbot wird sich also noch weiter ziehen. Die Politik ist hier zu wenig Konsens bereit. Gleichzeitig ist es ein zäher Kampf der oft überhörten Veranstaltungsbranche gegen die Bürokratie sowie um eine Lockerung der Gesetzgebung. Mit Blick darauf, wie die Thematik diskutiert wird, fällt hier schnell auf, dass es auch um die Verhandlung von individueller Freiheit in der Demokratie geht.
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