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Die Heiterkeit – Schwarze Magie

1. April 20255 Min. gelesen

Stella Sommer beschwört auf einem mystischen Folk-Album die Magie der unergründlichen Natur – und kommt so dem menschlichen Wesen näher.

„Schwarze Magie“ beginnt mit einer Art Gebet. Zart und ehrwürdig trägt es Stella Sommer auf dem Eröffnungsstück „Läute die Glocken“ vor, begleitet von einer ätherischen Gitarre, einem sanften Chor und dem gelegentlichen Klirren der Becken: „Läute die Glocken / Alle sollen sie hören / Ich stieg auf den Berg / Die Götter zu beschwören.“ Es ist ein wunderbar in sich gekehrter Moment, ein Kirchenlied, das sein Pathos aus seiner Ruhe schöpft. Stella Sommer erscheint darin als Pilgerin auf der Suche nach einer inneren Wahrheit und als deren Prophetin: Das ist die Essenz ihres neuen Albums unter dem Namen Die Heiterkeit.

Esoterisches Spiel oder existenzielle Suche?

Doch wenn es sich beim Eröffnungsstück um ein Gebet handelt, stellt sich die Frage: An wen ist es gerichtet? Ein Gott kann es nicht sein, denn dieser sei zu „malade und kraftlos“, um noch Wirkmacht über uns Menschen auszuüben. Die Geister seien „zu porös zum Spuken“. So heißt es jedenfalls im Text, mit dem Die Heiterkeit dieses Album bewirbt. Sommer zeichnet das Bild einer Welt, die im Sinne des Soziologen Max Weber „entzaubert“ ist. In der jede höhere Macht ihre sinnstiftende Funktion verloren hat. Aber wenn die Religion entthront wurde von den rationalen Zwängen der Technik, welche Instanz kann uns Menschen überhaupt noch Orientierung geben? Stella Sommer hat auf dem titelgebenden Song dieses Albums eine Antwort parat: „Manchmal hilft nur noch schwarze Magie.“

Die gebürtige Nordfriesin lässt offen, wie sehr sie mit ihren Texten einer wahrhaften Sinnsuche Ausdruck verleiht und wie sehr sie darin einen mystischen Zauber-Kult karikiert. Der Country-inspirierte Titelsong tendiert jedenfalls klar zur Ironie. Mit seinem schnellen Tempo und seiner 60er-Folk-Struktur eignet er sich den gepflegten Aberglauben mit einem zwinkernden Auge an, statt diesen zum ernsthaften Maßstab zu erklären.

Viele andere Stücke des Albums lassen sich hingegen als existenzielle Grübeleien lesen und erinnern darin an die naturverbundene Lyrik der Romantik. Sommer reflektiert die Flüchtigkeit des Lebens („Wenn etwas Schönes stirbt“), wägt die Zukunftsperspektiven des Einzelnen und des Kollektivs ab („Wie stehen die Chancen“) und beschwört die Möglichkeit der inneren Heilung im Angesicht von Verlust („Wie man ein Gespenst heilt“). Sie verortet sich selbst stets im Kreislauf einer Welt, die ihr eigenes Verstehen transzendiert und auf die sie selbst nur begrenzt einwirken kann.

Sommer bedient sich romantischer Motive

Dabei bedient sich Sommer vom „Teufelsberg“ über die Winde von „Santa Ana“ allerlei düsterer Motive, um ihrer Melancholie auch eine bildliche Prägekraft zu verleihen – was mal besser, mal schlechter gelingt. Der Sound verkörpert den Reiz der schwarzen Romantik dann besonders gut, wenn er sich auf dessen unterschwellige Theatralik einlässt. So begleiten elegische Streicher das Folk-Rock-Stück „Dunkle Gewitter“ auf filmreife Weise, während weiblicher Hintergrundgesang das Spätwerk von Leonard Cohen wachruft. Dagegen mutet „Alles, was ich je geträumt hab“ zu balladenhaft an, um seinen esoterischen Text vor dem Kitsch zu bewahren.

„Schwarze Magie“ hat also durchaus Momente, auf denen der Charme von Sommers Mystik ausgereizt wirkt und auch ihr näselnder Gesang an seine Grenzen stößt. Doch diesem Album gelingt es oft genug, sowohl zu verzaubern als auch zu erden. Denn einerseits beschwört Stella Sommer die Möglichkeit einer unergründlichen, mystischen Welt. Andererseits spricht sie die intimsten Regungen im Menschen an, die jedem von uns vertraut sind. Vielleicht liegt in diesem Spannungsverhältnis der Schlüssel, um Welt und Mensch miteinander zu versöhnen. Vielleicht brauchen wir den Blick auf die große, niemals zu beherrschende Welt, um uns darin verorten zu können – und uns so uns selbst zu nähern.

Bild: Miguel Martín Betancor

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Felix Meinert - Redaktion

Schon mit fünf Jahren war ich musikalisch begeistert: Damals trat ich mit meiner Fantasieband vor meiner Familie auf, sang (besser: schrie) auf meiner Fantasiesprache und trommelte mit Plastikstöcken unkontrolliert auf meinem Hüpfball herum. Da der ersehnte Durchbruch aber ausblieb, tobe ich mich heute lieber beim Hören und Schreiben aus. Oft feuilletonistisch, gerne nachdenklich bis nörglerisch, stets aber von Herzen schreibe ich über so ziemlich alles zwischen Rock, Pop, Folk, Hip-Hop, Jazz und elektronischer Musik.

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