Drei Acts, vier Minuten und jede Menge Vorfreude. Die Ruby Sessions, die seit über 30 Jahren jeden Dienstag im Doyle’s Pub in der Mitte von Dublin stattfinden, scheinen noch heute ein Geheimtipp zu sein. Worum handelt es sich hier genau, und könnte sich so etwas auch in München etablieren?
Ein Raunen, ein Schuschen, die Lichter gehen aus. Wenige Sekunden später: warmer Applaus für den oder die Sänger:in auf der kleinen Bühne. Ein roter Samtvorhang hängt von der Decke, das Mikro steht alleine und etwas einsam vor dem roten Hintergrund. Keine zwei Meter entfernt sitzt das Publikum, aufgeregt, gespannt. Kerzen sind im ganzen Raum verteilt. Das Wort urig schwebt in der Luft. So in etwa verläuft jeder Dienstagabend im Doyle’s Pub. Einmal in der Woche treten hier drei Acts auf, secret acts. Denn vor 21 Uhr kennt niemand deren Namen. Es sind Abende, die noch lange in Erinnerung bleiben.


Seit nunmehr 25 Jahren existiert das Konzept und hat sich inzwischen in Dublin unter Musikliebhaber:innen fest etabliert. Im Jahr 1999 haben die Gründer Conor Donovan und Niall Muckian die sogenannten Ruby Sessions eingeführt, zu Beginn eine noch intimere Show, weniger Menschen, längere Zeitabstände zwischen den Shows. Heute könnten die beiden wahrscheinlich mehrere Tage die Woche den Raum über dem Pub gegenüber des Trinity Colleges füllen, aber das würde seiner Philosophie widersprechen – und die Magie sowie Einzigartigkeit dieser eindimmen.
Licht aus, Erkenntnis an
Spekuliert wird davor natürlich trotzdem. Begeistert erzählt mir beispielsweise eine Freundin, dass ihr momentaner Lieblingskünstler Noah Kahan am nächsten Tag in Dublin auftrete. „Wir müssen zu den Ruby Sessions! Er wird sicherlich da sein, ich meine, er hat doch sicher mit Hozier darüber gesprochen!“, träumt sie laut vor sich hin. Hozier – nur ein Sänger von großer Bedeutung von vielen. Sein Name steht auf einer vollgekritzelten Wand, neben Mumford & Sons, Glen Hansard, Damien Rice, James Blunt oder Ed Sheeran. Sie alle waren bereits einmal hier. Es ist beeindruckend, wer in diesem intimen irischen Setting bereits auf der Bühne stand und dementsprechend kein Wunder, der Hoffnung Einlass zu gewähren.
Dass die Ruby Sessions heute einen beinahe als legendär zu bezeichnenden Status haben, liest sich aus den Gesichtern und Danksagungen der auftretenden Künstler:innen heraus. So etwa bei irischem Singer-Songwriter Sammy Copley, der ganz schüchtern an einem verregneten Dienstagabend hinter dem roten Vorhang hervortritt. Ein Lächeln auf seinen Lippen, und nach dem ersten Song erklärt er stolz, dass er schon immer einmal hier auftreten wollte, in die Fußstapfen seiner Vorbilder treten wollte. Damit ist er nicht alleine: Von drei Dienstagabenden verkünden alle drei Künstler:innen ihren Dank den Gründern, erklären, dass es eine Ehre wär, hier spielen zu dürfen. Ob Oscarnominierter oder bisheriger Straßenmusiker – die ruhige, schätzende Atmosphäre trifft sie alle ins Herz. Und doch, zu unserer Enttäuschung: Kahan ist am Ende nicht aufgetaucht.

Die Ideenmacher
Vor sieben Jahren veröffentlichte die Irish Times einen Artikel über Conor Donovan, taucht in seine Geschichte ein. Der inzwischen in seinen Vierzigern angelangte Ire leitet jede Woche aufs Neue selbst die Sessions ein, anmoderiert, witzelt im Kerzenlicht. „If you can’t shut your mouth, you can piss off now!“, macht er halb scherzhaft, halb ernst die Ansage. Den Kunstschaffenden wird hier Respekt und stille Bewunderung geboten, man muss sich anpassen. Kaum ein Handy ist während der Show zu sehen. Der in Dundrum geborene Donovan ist Musiker hat mit fünf Jahren das Schlagzeug-Spielen angefangen und tourte mit diesem Instrument und dem National Youth Orchestra of Ireland für sieben Jahre die Welt.
Mit 21 Jahren kamen ihm und seinem Orchester-Freund Niall Muckian plötzlich der Geistesblitz: Um die Brücke zwischen Open-Mic-Nights und tatsächlichen Konzerten zu schließen, müsse etwas Neues her. Die Ruby Sessions müssten her. Kleine Talente und große Stars dürfen seit jeher ihr Talent präsentieren, drei Acts pro Abend, sechzig Minuten, für 12 Euro in total. Das i-Tüpfelchen: Alle Einnahmen werden gespendet.
Ruby Sessions: Munich version?
So schön, so gut. Während die Begeisterung der Ruby Sessions endlos scheint, stellt sich ebenfalls die Frage: Kann es so etwas auch in München geben? Musikliebhaber:innen gibt es zu Genüge, die möglichen Venues reihen sich aneinander. In Bayerns Hauptstadt gibt es zwar schon zahlreiche Konzerte, das Ampere, das Milla – oder das als hipp verkaufte Lost Weekend, doch der Charme liegt hier woanders. Keine Location bietet das gleiche Erlebnis, bietet das Ungewisse.

Es könnte sich als schwierig herausstellen: Über dem Kennedy’s Irish Pub am Sendlinger Tor scheint sich ein Konzertraum darüber eher nicht zu finden. Genau diese Pubkultur, die dem Inhaber des Doyle’s Pub Donovan und Muckian ermöglichte, durch die bereitgestellte Bar und den Guinness-Konsum den Raum kostenlos und dennoch profitabel zu geben, fehlt. Wer wäre schon bereit, zu Beginn und ohne Garantie auf Gewinn diese Option bereitzustellen?
Doch never say never: Mit dem richtigen Vermarkten könnte sich hoffnungsvollerweise jemand finden, der oder die den Ruby Sessions: Munich version Gehör verschaffen möchte. Wenn sich das Wort erst einmal verbreitet hat, das Konzept klingt ja schon etwas elitär und anziehend, würde sich mit Sicherheit ein Publikum finden. Besonders für aufsteigende Künstler:innen wäre das hierzulande eine tolle Gelegenheit. Und wer weiß, vielleicht stehen ja auch bald in den Münchner Konzerthallen Namen an den Wänden.
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