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Do it yourself. Ohne Wenn, Ohne Aber.

29. Juni 20237 Min. gelesen

Seit 30 Jahren prägt das Independent-Plattenlabel Gutfeeling Records die Münchner Underground-Musikszene. Über die Liebe zum Vinyl, einen großen Freundeskreis und das “Durchwurschteln”. 

„Niemand wollte uns unter Vertrag nehmen, also machten wir halt selber ein Plattenlabel, und seitdem… hören wir einfach nicht damit auf”, erzählt Andreas Staebler, auch oder vor allem nur G. Rag genannt, genüsslich mit einem Espresso in der Hand. Mit ihm auf dem kleinen Holzbänkchen vor dem Gutfeeling Recordstore in der Münchner Reisingerstraße 41 sitzt Daniel Kappla alias Ernie. 

Einfach selber machen

Die erste Single auf Gutfeeling Records von 1993. ©Balthasar Zehetmair

Angefangen hat alles 1993 mit dem Punkrock von Inpalumbia. Die Band, in der G.Rag Gitarre spielte, wollte ihre Songs auf Vinyl haben und suchte erfolglos nach einem Label dafür. Oft ganz vorne im Publikum stand Ernie, dessen Traum es immer war, eine Schallplatte zu produzieren. In dieser Lage fanden die zwei jungen Männer schnell zu ihrer gemeinsamen Leidenschaft und erkannten die einzig wahre Lösung: Einfach selber machen. Und so entstand aus dieser Situation heraus zusammen mit Sascha Schwegeler alias Doc Gutfeeling Records und wenig später war das erste Vinyl in kleiner Auflage da. Eine mintgrüne 7-Inch mit vier astreinen Songs. Nach ein paar Singles folgte 1999 die erste LP. 

Mittlerweile sind es 85 Schallplatten. Bis heute steht die DIY-Haltung über allem, was bei Gutfeeling geschieht. “Diese Mentalität kommt ja aus der Punk-Szene. Da haben die Bands vom Auftritt bis zur Platte alles selbst gemacht, das wollen wir auch“, erklärt Ernie. 

Musikalische Vielfalt

Vom folkigen Rumpeljazz der Hochzeitskapelle, über Chansons getaucht in Indie von Leonie singt oder der bayerisch-japanische Anarcho-Blues von Sasebo – im Laufe der Jahre haben sich verschiedene Genres und 30 Musiker*innen sowie Bands und Kollektive mit einzigartigen Sound-Kreationen bei Gutfeeling angesammelt. „Wir wollen uns nicht auf eine Richtung versteifen. Es ist einfach das Beste für mich, Musik zu hören, wo ich mir erstmal denke: „Hä, was ist denn das?!””, so Ernies Mentalität. Aber eins eint alle Platten: eine liebenswerte, kantige Unperfektheit.   

Nach 23 Jahren brachte die Band Analstahl zu Ehren von Gutfeeling mit „Pillepalle Gemüsehalle” ein neues Album heraus. Jedes Cover der Vinyl-Exemplare wurde individuell im Siebdruckverfahren angefertigt. Einzigartige Unikate. ©Sascha Schwegeler/Gutfeeling Records

„Fast alle Bands und Musiker*innen auf unserem Label sind aus unserem mittlerweile großen Freundeskreis. Viel wichtiger als die Musik sind für uns die Menschen hinter der Musik, das muss einfach passen”, sagt G. Rag. Das Schönste sei es, zu sehen, wie die Leute sich entwickeln und über die Jahre immer besser werden in dem, was sie machen. 

Oft sind es nur kleine Auflagen von ein paar hundert Exemplaren, in denen die Platten erscheinen. „Uns ist es nicht wichtig, viele Scheiben zu produzieren oder groß Geld zu verdienen, sondern vor allem ein schönes Gesamtprodukt zu machen. Vom Cover und der ganzen Aufmachung gibt uns die Schallplatte da viele Möglichkeiten”, schwärmt Ernie. Ausgestellt wie kleine quadratische Kunstwerke sind die wahren Schätze des Labels an den Wänden des Plattenladens platziert. Jedes Record bekommt ein einzigartiges Design.  

In der Stadt ist wahnsinnig viel los” 

Das unabhängige Kulturleben sprudelt in München und Gutfeeling-Records ist zu einer der Institutionen im Independent-Leben der Stadt gewachsen. Die Kontakte zu Bands, nicht nur in München, sondern auch (teilweise) weit darüber hinaus, zu den Veranstalter*innen und natürlich auch zu anderen Labels mit gleichem Ansatz und Bauweise, wie TrikontSchaufel&Besen Records oder auch Rheinschallplatten aus Köln sind zahlreich und so ist immer was los bei Gutfeeling. Gerade dieses Jubiläumsjahr ist ein Rausch der Endorphine für die Labelgründer. Schon am 1. Juli folgt die nächste Fete beim „Gutfeeling Utopia Festival” in Edling bei Wasserburg am Inn. (Ticket 28 €/erm. 22 €) 

Die besten Momente seien die Abende, an denen die Bands spielen und so die direkte Resonanz des Publikums zu spüren ist. „Das ist einfach immer wieder wunderschön!”, so G. Rag. „Und auch immer wieder neue Leute und interessante Bands kennenzulernen, die nochmal einen völlig neuen Ansatz haben, Musik zu machen. Hier wird es so schnell nicht langweilig”, fügt Ernie hinzu. 

G. Rag (ganz links an der Gitarre) und Ernie (rechts im Bild am Mikrofon) zusammen mit den Los Hermanos Patchekos. ©Hagen Keller

Liebeserklärung an den Underground 

Die wichtigste Devise, um gerade in der bayerischen Landeshauptstadt, in der die unabhängige Kultur schon immer einen schweren Stand hatte, als Underground-Label so lange zu bestehen, ist es, vor Leidenschaft dafür zu brennen und sich durchzusetzen. „Ein bisschen Durchwurschteln gehört auch dazu”, meint Ernie. Seit nun 30 Jahren ist Gutfeeling-Records eine wahre Liebeserklärung an die authentische Musik des Untergrunds, die zwischen Münchner Schickeria und dem Hyper-Kommerz der großen Musikwelt noch viele Jahre weitergehen wird. Irgendwie schlängeln sie sich durch, mit viel DIY, charmanter Unperfektheit und gemütlichem Espresso – ganz im Gutfeeling-Stil eben.  

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Balthasar Zehetmair - Redaktion

Sucht den Sinn des Lebens in Bob Dylan Songtexten und findet ihn bei den Wildecker Herzbuben. Meistens in Schallplattenläden und immer mit Kopfhörern auf den Ohren zu sehen.

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