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Dystopischer Indie-Wave mit vielen Lichtmomenten

6. Juni 20234 Min. gelesen

Die treibend nachdenkliche Musik des österreichischen Duos Yukno ist von Resignation, aber auch den schönen Momenten des Lebens durchzogen.  

Beim Blick in die Nachrichten – wenn man diesen überhaupt noch wagen will – überschwemmt einen immer wieder schnell die Verseuchung der Welt mit Krisen und Konflikten. Um den Glauben an die Menschheit nicht zu verlieren, überkommt eine:n schnell das Schwelgen in Nostalgie und Vergangenheit. Doch schließlich stellt sich irgendwie unausweichlich die Frage, die das Wiener Indie-Duo Yukno auf ihrem vierten Album „Alles ist Vergangenheit” in den Fokus rücken: Was kommt noch auf uns zu? 

Die Brüder Georg und Nikolaus Nöhrer, die in der Steiermark ihre Heimat haben, denken auf ihrer Platte sehr dystopisch gesinnt über die Zukunft nach und verlieren dabei nicht die Lichtblicke aus den Augen. Leicht in die Irre führen kann dabei der Albumtitel „Alles ist Vergangenheit”. Dieser dient nur als konzeptuelle Fassade für die kritische Reflektion des elendigen Hier und Jetzt und eines forcierten Blicks in die Zukunft, der sich irgendwo zwischen heller Vision und blanken Horror wiederfindet. Dabei ziehen Yukno stringent ihren eigenen Stil durch und treffen damit gleichzeitig punktgenau den aktuellen Zeitgeist.  

Das vierte Album von Yukno, „Alles ist Vergangenheit“ ©Yukno

Treibende Klänge, Nachdenkliche Texte

Zu wabernden Indie-Wave Sounds, die so treibend wie tanzbar sind, singt Nikolaus Nöhrer mit einer tiefen, metallischen Stimme, die an mancher Stelle fast schon an die Band Grauzone aus den 80ern erinnert. Yukno nimmt das aktuelle Geschehen auf der Welt genau in den Blick, ohne dieses in den Texten plakativ zu benennen, vielmehr geschieht dies auf einer tiefen, philosophischen Ebene. So befassen sich Yukno in ihrem Schaffen immer wieder mit der Relation zwischen dem Menschen und der Technologie. Wie beeinflusst diese unser kritisches Denken? Dies kommt besonders in Songs wie „Hohle Menschen” oder „Motor, Motor” zutage. Oder aber wenn Yukno bedeutungsschwere historische Bilder über nur wenige Zeilen mit den Gefühlen im digitalen Zeitalter verknüpfen, wie im Titelsong und Opener des Albums: 

„Nero blickt auf Rom und fragt 

‚Wenn alles brennt, wo soll ich wohnen?’

Maria Magdalena kniet am Kreuz und verflucht die Religion

Und das digitale Orchester programmiert den letzten Ton

Alles, was dir sicher scheint, ist mit Sicherheit nur Illusion” 

Mit all diesen existenziellen Fragen verweben die beiden Brüder mit viel Feingefühl und Eleganz die schönen Momente des Alltags. Diese Augenblicke, die das Leben trotz der umgreifenden Verstrickung in melancholischer Resignation so bereichern. Perfekt gelingt dies in „Die Sterne von unten”, wo das Beobachten des Nachthimmels loslösen lässt von den abgründigen Gedanken. In „Goldener Tag” singt Nikolaus zu treibenden Synthie-Beats von sonnigen Tagen im Park. Ein fast schon atypisch harmloser, niedlicher Song in der dystopischen Soundmalerei dieses Albums. Vielleicht ist es am Ende aber auch so wie auf „Synthadella”, wir wachen auf von einem schlechten Traum und blicken – oder tanzen unbeschwert – dem Sonnenaufgang entgegen. 

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Balthasar Zehetmair - Redaktion

Sucht den Sinn des Lebens in Bob Dylan Songtexten und findet ihn bei den Wildecker Herzbuben. Meistens in Schallplattenläden und immer mit Kopfhörern auf den Ohren zu sehen.

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