Erleuchtung und Rufo mögen es gerne bunt, laut und ein bisschen schrullig. Die junge Münchner Indie-Rock-Band fühlt sich am wohlsten zwischen politischem Aktivismus und albernen Insidern.
Am 8. März stehen Erleuchtung und Rufo vor einer pink glitzernden Menge im Münchner Westend. Vor allem junge Menschen sind zur Abschlusskundgebung des diesjährigen Weltfrauentags gekommen, der in diesen aktivistischen Kreisen Feministischer Kampftag heißt. Sie skandieren Parolen gegen Patriarchat und Faschismus. Auf der Bühne liefern Erleuchtung und Rufo die passende musikalische Untermalung: Die Sänger:innen Julie Himmelreich und Antonia „Dodo“ Lorrig singen sich in Rage, witzeln übers Männerverprügeln, brüllen ihre Wut über Machtmissbrauch und Grenzüberschreitungen raus: „Männerhass, Männerhass, Männerhass, Hass, Hass! Ich hasse Männer, doch es macht mir keinen Spaß, Spaß!“
Humor und Vertrautheit
Erleuchtung und Rufo scheuen sich nicht davor, anderen auf die Füße zu treten. Die Gruppe eint eine Dynamik, die sie selbst als witzig, locker und verpeilt beschreiben: „Wir sind alle ganz große Scherzkekse“, sagt Julie Himmelreich alias Spüli bei einem Gespräch im Mai. Ihre politischen Botschaften vermittelt die Band oft mit zwinkerndem Auge und musikalischer Unnachgiebigkeit, irgendwo zwischen Indie Pop und „görigem Atzen-Punk“. Über diese Wortneuschöpfung müssen Erleuchtung und Rufo selbst lachen.
Zu ihrem entspannten Umgang miteinander trägt wohl vor allem die Tatsache bei, dass die Mitglieder gut miteinander befreundet sind. Spüli und Dodo, Kolleg:innen am Mikro, kennen sich bereits seit der Kindheit. Mit Bassistin Liv Hesse hat Spüli einige Jahre in einer anderen Band gespielt. Über ein paar Umwege kamen dann Gitarrist Nico Schneider und Schlagzeuger Lars Philipp Götz zur Gruppe hinzu. Die fünf Münchner:innen, alle zwischen 22 und 25 Jahre alt, machen seit etwa drei Jahren zusammen Musik.
Zehn Songs, die in diesem Zeitraum entstanden sind, haben Erleuchtung und Rufo zusammengetragen und im Januar als Debütalbum veröffentlicht. Dieses ist also eher eine Anhäufung bereits geschriebener Stücke als ein ganzheitliches Projekt. Oder um den ironischen Albumtitel zu bedienen: ein „Best of Greatest Hits“.
Politischer Aktivismus gehört zur Identität der Band
Dementsprechend breit gefächert sind auch die Themen des Albums. Auf „Peter Pan“ stemmt sich die Band gegen das „Erwachsenwerden in einer Leistungsgesellschaft“, erklärt Spüli. „Speziparty“ ist laut Lars ein „Abgeh-Song“, der auf niedrigschwellige Weise die Alkoholkultur auf Partys kritisiert. Für den hypnotischen Post-Punk-Song „Nachts“ hat Nico den Text geschrieben. Inspiriert wurde dieser von der Erfahrung, dass sich Menschen nach Sonnenuntergang meist am leichtesten öffnen und ihre Sorgen teilen können. „In dem Moment, in dem wir nachts alleine draußen sitzen, schaffen wir es, ehrlich zu sein“, sagt Nico. „Die besten Gespräche finden meistens zwischen ein und drei Uhr morgens statt.“
Ein Kernmerkmal von Erleuchtung und Rufo ist aber auch ihre politische Mentalität. „Wir sind alle Feminst:innen“, betont Spüli. „Uns ist es wichtig, dass alle Menschen gleiche Rechte haben und wir uns für marginalisierte Gruppen aussprechen. Es ist schön, eine Stimme zu haben bei Themen, wo uns sonst vielleicht nicht zugehört wird.“ Dabei schreibt die Band auch aus ihrer eigenen Erfahrung. Liv, Spüli und Dodo setzen sich in einem gemeinsamen Projekt dafür ein, Musiker:innen in ihrer Vielfalt sichtbar zu machen. Lars und Nico sind in einem aktivistischen Umfeld sozialisiert worden und sind bis heute davon beeinflusst. Mehrmals sei Dodo zu Bandproben gekommen und hätte sich über Männer aufgeregt, die sie am Tag zuvor übergriffig behandelten. Aus dieser Wut sei oft direkt ein Text entstanden.
So arbeiten sich die Singles „Männerhass“ und „Punani“ an Machismo, der Objektivierung von Frauen und der Angst, nachts alleine unterwegs zu sein, ab. Die Stimmen der beiden Sänger:innen sind messerscharf, ihre Texte spielerisch. Den Humor, den Erleuchtung und Rufo im persönlichen Gespräch ausstrahlen, bringen sie auch aufs Papier und auf die Bühne. „Man kann ernste Themen auch auf lustige Art und Weise rüberbringen“, findet Spüli und beschreibt damit wohl auch die Philosophie der Band.
„Frisch, frech und völlig absurd“
Ihr Faible für Satire wird noch an anderer Stelle deutlich; nämlich als die Bandmitglieder versuchen sollen, Erleuchtung und Rufo in drei Worten zu beschreiben. „Frisch, frech und völlig absurd“, antwortet Nico in Anspielung an „Die Känguru-Chroniken“. Dieses kapitalismuskritische Hörbuch von Marc-Uwe Kling habe maßgeblich zu seinem political awakening beigetragen.
Spüli nimmt einen neuen Anlauf, um die Frage zu beantworten: „Frech. Görig. Und…“ Spüli überlegt. Lars schaltet sich ein: „Ich find ‚frisch‘ schon gut.“ Doch Spüli kommt der Geistesblitz: „…und gnomig!“ Alle lachen. „Nein, das checkt niemand“, sagt Spüli selbst. Die Mitglieder schlagen noch weitere Wörter vor: fetzig, großartig, skandalös, rotzfrech. Sie fallen einander ins Wort, bringen sich selbst und einander zum Lachen. Irgendwie können sie sich auf nichts einigen. Doch in diesem ansteckenden Chaos hat damit auch niemand wirklich ein Problem.
Bild: Aaron Jordan
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