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In der Musik blühe ich auf

12. Oktober 202315 Min. gelesen

Die aufstrebende junge Musikerin Malva aus München kennt die besten Cafés der Stadt und spielt in ihren Songs mit der Melancholie. Ein Gespräch über Musik, Literatur und das Beobachten.

Als wir telefonieren, macht sich Malva gerade fertig, um gleich ins Kaffeehaus zu gehen. Damit startet die junge Musikerin am liebsten in den Tag. Ein Gespräch, das sich auch, aber nicht nur um die Musik dreht. Über ihre Hass-Liebe zu München, der Selbstinszenierung auf Instagram und die Frage, was es bedeutet zu beobachten. Die große Leidenschaft neben der Musik ist für Malva das Schreiben.

Du schreibst ja sehr gerne und viel, hast Du heute schon deinen Füller auf Papier angesetzt? 

Noch nicht, aber ich mach mich gleich auf ins Café und schreibe ein bisschen. Das ist immer so mein Start in den Tag.  

Und wohin verschlägt es Dich heute, in welches Café? 

In die Fortuna Cafebar in Haidhausen. Diesen Stadtteil entdecke ich gerade voll für mich mit seinen ganzen Plätzen und den schönen Perspektiven.  

Lässt du dich gerne einfach mal nur so durch die Stadt treiben, wo es dich gerade hinzieht und bekommst dadurch Inspiration? 

Ich liebe es zu beobachten, mich treiben zu lassen und wenn die Eindrücke auf mich einprasseln. Da nehme ich mir oft Leute in ihren Alltagssituationen heraus, die ich gerade in dem Moment interessant finde und überlege mir eine Geschichte auf die Person. Deswegen setze ich mich in den Cafés sehr gerne ans Fenster. 

In deinen Songs hast du so schöne Zeilen wie „Häuser verschwimmen zu einem Aquarell” oder „Wenn ich könnte, würde ich aus meinem Kopf verschwinden”. Da fließen viele Gedanken und Alltagsbeobachtungen ein. Hast du einen besonderen Blick für die Details? 

Schon, ja. Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass ich allein damit bin, weil ich fast schon so überschwemmt bin mit Eindrücken und Wahrnehmungen. Da schaffe ich es gar nicht hinterherzukommen mit dem Archivieren auf dem Papier. Aber deswegen mag ich das Schreiben so gerne. Dadurch schaffe ich es die ganzen Bilder und Impressionen festzuhalten. Natürlich spielt da Fotografie eine große Rolle, aber mit Worten zu beschreiben finde ich am Spannendsten. Und ich habe immer, in jeder Situation, ein Notizbuch mit dabei. 

Hast du auch das Gefühl, dass sich die Leute in deiner Poesie, deinen Texten wiederfinden? 

Ja, und das hätte ich tatsächlich gar nicht so richtig erwartet. Als ich das erste Mal die deutschen Lieder auf der Bühne gesungen habe, war das fast so ein bisschen wie sich nackt machen, weil bei den deutschen Texten hören die Leute viel mehr hin. Es wird viel ruhiger im Raum und Anfangs war das schon eine Umstellung für mich. Gerade „Kandierter Kummer”, ein Song über die bittersüße Melancholie und mit dem ich sehr viel verbinde. Als ich den erstmals vorgetragen habe, war das schon sehr einzigartig für mich. Letztens sagte mir auch jemand im Café, dass dieser Song zur Hymne für ihn geworden ist, die ihn sehr berührt und er jeden Tag hört. Das war ein sehr schöner Moment!  

Auf deine erste LP „Das Grell in meinem Kopf” hast du viel positive Resonanz bekommen. Nicht nur Münchner Zeitungen waren begeistert, auch der Rolling Stone oder das Radio Bremen haben über dich geschrieben. Wie war es plötzlich so viel Aufmerksamkeit zu bekommen? 

Total verrückt. Ich hätte nicht gedacht, dass das Album so gut ankommen wird, da es sich doch sehr von dem unterscheidet, was gerade so In oder im Mainstream ist. An das letzte Jahr zurück zu denken, wo so viel passiert ist, fühlt sich immer noch surreal an und jetzt geht es schon ans zweite Album. Also Schlag auf Schlag. Aber es war toll, ich freue mich einfach immer noch, wie gut das ankam. 

Dein Album wird oft als eine Art Sammlung von Tagebucheinträgen beschrieben. Ich würde es fast eher wie eine Wand im WG-Zimmer sehen, wo du auf Zetteln und Bildern deine Gedanken ausdrückst. Was ist das Album für dich? 

Ich finde die Beschreibung sehr passend, dass man sich aus vielen Einzelteilen, vielen Schnipseln ein Gesamtkunstwerk schafft. An der Stelle muss ich über Patti Smith sprechen. Ich liebe sie einfach und genau das macht sie ja auch. Sie schafft es, Texte, Musik, Fotografie und Lyrik in ihrem Werk zu verbinden und das war so ein bisschen der Versuch bei meinem Album. Ich wollte zwei Gedichte mit aufnehmen und mich selbst ausprobieren an den Musikvideos. Also aus diesem Albumprojekt ein Gesamtkunstwerk zu schaffen, das war mein Ziel. 

Beim Blick in dein Instagram-Feed umhüllt Dich eine gewisse Ästhetik der Nostalgie: Du fotografierst analog, hörst Platten, liest viel aus der Beat-Generation. Was begeistert dich daran? 

In der heutigen Zeit, das ist so mein Gefühl, läuft alles viel schneller und ist weniger kostbar, wertvoller, subtiler. Gerade im ganzen Social Media läuft viel wie Zack bei Takt. Irgendwie kommt man da manchmal gar nicht hinterher und ist so überspült mit Eindrücken, Videos, Fotos und wie sich Menschen inszenieren. Daher brauche ich das. Dieses Umgeben mit Gedichten, mit Autoren von früher und diese Sachen zu lesen und zu hören. Darin finde ich einfach Ruhe und das befreit mich, in gewisser Weise für den Moment in eine ganz andere Welt abzutauchen, wo all das, Instagram und Co., noch nicht zu finden waren. 

Es ist natürlich so, dass sich ein Großteil der Musiker*innen und Bands heute auf Social Media fast schon präsentieren muss, um Aufmerksamkeit zu bekommen und relevant zu bleiben. Fühlst Du Dich da auch selber manchmal unter Druck gesetzt, welches Image, welche Inszenierung du von dir selber auf Instagram wiedergeben willst? 

Das ist lustig, weil ich es immer spannend finde, wenn mich Leute auf der Straße von Instagram her erkennen und da höre ich dann oft: “Ja, ich dachte, du bist viel verträumter, weil du wirkst auf deinen Fotos immer so brav und ruhig.” Es ist schon echt erstaunlich, welchen Stempel wir Leuten geben, nur an Hand von Fotos und Videos. Ich will, so gut es geht, meinen Blick auf die Welt mitteilen und trotzdem auch Werbung für meine Musik zu machen. Das ist so eine Hass-Liebe. Es ist wie eine Mappe, mit der man sich präsentiert, aber gleichzeitig hat sich der Blick auf mich selbst damit verändert. Ständig vergleicht man sich, gerade mit anderen Musiker*innen, und macht sich so einen kreativen Druck, sich mit dieser App zu inszenieren. 

Malva, das ist zum einen dein Vorname, ein sehr schöner, einzigartiger Name, wie ich finde, zum anderen dein Projekt mit deinem Freund Quirin Ebnet. Wie lange macht ihr schon Musik? 

Wir sind schon mehrere Jahre befreundet und wussten voneinander, dass wir Musik machen. Wirklich entstanden ist das dann an einem Abend nach ein paar Bier mit einer spontanen Aktion und wir haben gleich gemerkt, das passt. Quirin ist Multiinstrumentalist und mit ihm ist es total vielfältig, weil wenn ich sage, ich würde eher in die Richtung Chanson oder Indie gehen, dann bastelt er ein Stück in dem Stil. Das ist ein schönes Zusammenspiel. 

Wolltest Du schon immer Musik machen? 

Klar, gab es auch andere Pläne. Aber die Musik war immer da und hat mich beschäftigt. Ich komme aus einer musikalischen Familie und früher haben wir bei den Großeltern immer vierstimmig gesungen. Da wurde ich früh sehr geprägt. Musik ist daher meine Leidenschaft, mein Ruhepol, bei dem ich aufblühen kann. Beim Singen, bei der Musik spüre ich mich selbst und bin einfach total ich selbst. Eigentlich wollte ich in Berlin Fotografie studieren – sehr klischeehaft, ich weiß – und wurde sogar von einer Fotoschule genommen. Doch dann ging es mit dem Album auf einen Schlag los. Plötzlich war ich bei einem Label und bin auf Tour. Jetzt mach ich das weiter, es ist wunderbar! 

Seit letztem Jahr bist Du beim Trikont-Label unter Vertrag. War es für dich der richtige Schritt zu einem Independent-Label zu gehen um deine künstlerische Freiheit offen zu halten? 

Ja, auf jeden Fall. Was ich so gehört habe, wird einem bei den großen Labels einfach viel mehr hinein geredet in seinen Schaffensprozess und dem, was man musikalisch probieren möchte. Bei Trikont wird mir sehr freie Hand gelassen und ich darf mich hier einfach sehr frei ausleben. Natürlich sprechen wir nochmal drüber, aber ich merke das momentan auch bei der Aufnahme meines zweiten Albums. Hier möchte ich musikalisch nochmal in ganz andere Richtungen gehen und da finde ich, hätte es mich als Newcomerin nicht besser treffen können. 

München ist teuer, wir alle leiden unter den horrenden Mieten und wie ist das für junge Musiker*innen? Wie sehr kann man sich in der Stadt musikalisch entfalten und welche Probleme siehst du da? 

Es ist einfach alles super teuer. Miete, Proberaum und alles. Das ist für junge Künstler*innen oft sehr schade, dass es in der Stadt noch nicht so viele Möglichkeiten und Räume gibt, wo man sich musikalisch ausleben und ausprobieren kann. Wir haben, Gott sei Dank, tatsächlich nun über Ebay einen ganz tollen Proberaum in Allach entdeckt. Aber wenn ich mit meinen Musik-Freunden spreche, da höre ich oft raus, dass sie viel zahlen müssen oder nichts finden. Das ist ein großes Problem, das vielen im Weg steht.   

Wie ist deine Beziehung zu München? 

In München bin ich geboren und aufgewachsen. Gerade während der Corona-Zeit hatte ich aber so eine Hass-Liebe zu München. Es war kalt und ich hatte das Gefühl, München ist nicht so gnädig zu mir. Gleichzeitig kommt mir München voll oft wie ein Dorf vor, jeder kennt irgendwie jeden, man sieht oft, sei es in der Bar, im Supermarkt, in der Reinigung, vertraute Gesichter und grüßt sich. Ich finde das sehr schön an München. Dann ist da aber auch die Melancholie, die ich damit verbinde. Die Stadt hat für mich viele Gesichter, viele schöne Momente und wird immer ein Zuhause bleiben, in das ich gerne zurückkehre. 

Ist München für dich eine gute Stadt, um sich als Künstlerin, als Musikerin zu entfalten?

Absolut es war echt gut, dass ich hier den Anfang mache,, weil die Leute schnell über dich erfahren und du sehr offen Willkommen geheißen wirst. Die Musikszene ist ein bisschen überschaubar, aber so tritt man schnell in Kontakt und kann sich ein kleinen Namen aufbauen in der Stadt. 

Wann kommt dein Kaffeehausführer für München raus? 

Hoffentlich nächstes Jahr irgendwann. (lacht) Das habe ich schon überlegt, ob ich so einen kleinen Blog schreiben soll. Also ich kenne mich echt gut aus mit den Cafés in München und werde immer wieder von Freunden gefragt, wo sie am besten hingehen, für Dates, zum Studieren, zum Lesen.   

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Balthasar Zehetmair - Redaktion

Sucht den Sinn des Lebens in Bob Dylan Songtexten und findet ihn bei den Wildecker Herzbuben. Meistens in Schallplattenläden und immer mit Kopfhörern auf den Ohren zu sehen.

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