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Leiche verscharren 101: Niels Frevert singt, wie’s geht

3. März 20234 Min. gelesen

Weint er oder spürt man seine schmerzhaft ehrliche Melancholie doch eher in den eigenen Knochen? Freverts Album „Zettel auf dem Boden“ wird unter die Lupe genommen.

Akustikgitarre und Klavier. Streicher im Hintergrund. Cello. „Häng Gedanken nach, / Die sich in Luft auflösen können / Wie Flugzeugfahnen in Schlangenlinien“, singt der Hamburger Frevert im Jahr 2011. Er klingt beinahe monoton, doch wenn man etwas genauer hinhört, erkennt man Traurigkeit, gemischt mit Sehnsucht nach Vergangenem. Ruhe breitet sich aus, doch das Lied wird keinesfalls langweilig. Dafür passiert instrumental zu viel. Dramatisch endet der erste Song auf einen Schlag.

„Ich würd dir helfen, eine Leiche zu verscharren, wenn’s nicht meine ist”, stellt den zweiten Song auf Freverts viertem Album dar. Makaber, aber hoffnungsvoller klingt die Hommage an seine besungene Liebe. Und was zeugt mehr von der eigenen Hingabe zu einer Person, als der Titel? „Und wenn ich falsch aber richtig lieg’ / Dann liegt’s vielleicht an mir / Und du mich verlegen machst“. Gänsehaut macht sich bemerkbar. Die tiefen Klaviertöne helfen dabei nicht wenig. In der Mitte des Liedes ertönen mehrere Stimmen – Gisbert zu Knyphausen und Nils Koppruch im Chor. Mit prägnanten Schlagzeugtönen und lebendiger Akustikgitarre ein wundervolles Ensemble. 

Dunkelheit und Finsternis

Als nächstes folgt ein Lied, bei dem sich zumindest bei mir ein gewisses Unwohlsein ausbreitet. Düster, frustrierend. Liegt das am Moll, den abrupten Pausen oder dem Mix aus Instrumenten? Die bedrückende Stimmung ist auf jeden Fall spürbar. Kein Wunder – bei dem Text: „Und du sagst / Wenn doch bloß nur / Die Sache mit dem Geld nicht wäre / Und das Gefühl / Man wäre zu alt / Aber niemand wird kommen“. Schluss mit Hoffnung, die Realität ist angekommen. 

So kann man Freverts Musik wohl gut zusammenfassen: Eine Kombination aus Träumen und Versagen, aus heller Hoffnung und resignierter Realität. Der Rolling Stone schrieb schon im November 2011: „Eigenbrötlerisch gibt [Frevert sich] immer noch, doch die Neugier ist größer geworden, die Suche nach einem Gegenüber allgegenwärtig“. Seine bisher sanfteste Veröffentlichung. 

Bild: Tapete Records

Das macht Frevert aus

Der 1967 geborene Sänger war ehemals Mitglied der Band Nationalgalerie. Um seine eigene Kreativität ungestört in Musik umwandeln zu können, macht er ab Ende der 90iger Jahre alleine weiter. 1997 erschien sein erstes Album mit gleichnamigem Titel. Sein sechstes Album kann man nach vier Jahren Funkstille am 24. März 2023 hören – und Frevert ab Anfang April bereits live sehen. Auch in München.

„Ich würd’ dich gern mal anrufen / Es wär’ schön, wenn du mir schreibst / Eine Postkarte mit Grüßen aus dem Jenseits“. Frevert verarbeitet Gedanken des Alltags und schreibt über die kleinen Beobachtungen. Das erfrischt von den heute so oft sich ähnelnden Songs. Nicht ganz so peppig wie Von Wegen Lisbeth oder Provinz, aber Fans des Deutschen Indie sollten in „Zettel auf dem Boden“ unbedingt reinhören. Vielleicht findet sich ja sogar ein neuer Lieblingskünstler.

Bild: GRÖNLAND Records

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Annika Block - Redaktion

Zwischen Alltagsstress und Unidruck so oft es geht auf Indie-Konzerten, in der Sonne mit einem Buch in der Hand oder am Abgehen zu „You Can Call Me Al“ zu finden. Täglich am neue Musik entdecken – und am besten direkt darüber schreiben.

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