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Main Concept: 35 Jahre Münchner Rap Geschichte 

28. Oktober 202512 Min. gelesen

Die Münchner Rap Pioniere Main Concept feiern mit neuer Platte und Bühnenshow am 15. November in der Muffathalle ihr 35-jähriges Bandjubiläum. Drei Dekaden, drei Köpfe: Frontmann David Pe, Beatproducer Glam und DJ Explizit hinter den Plattentellern. Als sich die Formation 1990 gründete, hatte Hip Hop noch Exotenstatus, von Plattenveröffentlichungen, Videoproduktionen oder Chartplatzierungen wagte niemand zu träumen. Im Gespräch verrät David Pe wie er Teil der frühen deutschen Rap-Generation wurde, sich letztlich gegen eine professionelle Musikkarriere entschied und sein Leben heute als Arzt und Rapper unter eine Baseballkappe  bringt.

Das Gespräch führte Andreas Purzer

Titelfoto: Franziska Freiwald

Frequenz Magazin: Wie  war das Ende der 80er Jahre mit Hip Hop in München? 

David Pe: Während München bereits eine pulsierende Graffiti Szene hatte, steckte Rap noch in den Kinderschuhen und fand allenfalls in Jugendzentren statt. Allen voran im JUZ Biederstein nahe der Münchner Freiheit. Dort trafen sich jeden Freitag DJs und Rapper aus ganz München zu Parties, sogenannten Jams. 1990 hatten wir hier auch unseren ersten Auftritt. Fortan war Main Concept fester Bestandteil der kleinen aktiven Rapszene.

Die damals noch stark von G.I.s geprägt war.

Die G.I.s hatten ihre Discos, die sie besuchten. Eine davon war das “Rock In“ am Maximiliansplatz. Da lief jeden Sonntag Rap. Münchner DJ Legenden wie Randy, Junior oder Romeo standen an den Plattenspielern, während sich hin und wieder G.I.-Rapper das Mikrophon schnappten. Zu ihnen blickten wir als Teenager auf. Die Jungs traten bereits bei den großen Veranstaltungen z.B. im legendären Schwabinger Bräu oder als Support für Public Enemy im Circus Krone auf.

Die drei Köpfe hinter Main Concept: Frontmann David Pe, Beatproducer Glam und DJ Explizit hinter den Plattentellern. ©Franziska Freiwald

Sicher auch ein Grund dafür, warum nicht Deutsch sondern Schulenglisch die vorherrschende Rapsprache war.

Anfangs gab es keinen relevanten Rap auf Deutsch. Die Sprache schien zu sperrig. Unsere Vorbilder waren Rapper aus den USA, wir wollten so klingen und rüberkommen wie sie. Protagonisten der ersten Generation wie Torch oder Cora E. begannen dann mit Rap auf Deutsch ernsthaft zu experimentieren. Davon inspiriert stieg ich auch recht bald auf deutsche Texte um. Ab Mitte der Neunziger war es dann soweit: Rap auf deutsch flowte, die Texte hatten Wortwitz und die Beats klangen fett. Das Publikum  konnte sich plötzlich mit der Sprache, den Sprüchen und den Themen identifizieren. So trug Hip Hop entschieden dazu bei, die deutsche Sprache in der Populär Musik salonfähig zu machen.

Ihr wart zu der Zeit noch Schüler und Equipment teuer. Wie ging es los mit dem produzieren erster Songs?

Zum Schreiben, braucht man nichts außer Talent, Stift und Papier. Das hatte ich alles. Glam besaß einen Amiga Heimcomputer, mit dem er Beats produzierte. In einem Hobbykeller in Pasing und ein paar bescheidenen Soundgeräten haben wir erste Main Concept Tracks auf Kassetten aufgenommen, alles One-Take denn ein Mehrspurgerät hatten wir nicht. Später erst kaufte sich Glam von seinem Azubi Lohn neben einem Sampler einen Achtspur-Rekorder, auf dem wir auch noch unser Debütalbum aufgenommen haben.

Heutzutage sind Follower auf sozialen Medien und natürlich Geld die Motivation Rapper zu werden. Was waren Eure Ziele in den frühen Tagen?

Als wir uns gründeten, war die einzige Motivation Spaß an der Musik. Von Gagen war nie die Rede, alle waren froh, wenn sie überhaupt die Möglichkeit hatten aufzutreten. Keiner dachte daran, eine Platte aufzunehmen. 1992 hatten wir unseren ersten Auftritt außerhalb Münchens, in Karlsruhe. Dort bekamen wir erstmals eine Gage, die allerdings für die Fahrtkosten draufging. Von da an wurden wir in ganz Deutschland gebucht und fingen an, unser erstes Geld zu verdienen, ohne dafür Zeitungen austragen zu müssen. 

Wodurch Ihr Euch schnell überregional einen Namen machen konntet.

Diese Phase war für uns sehr wichtig. Wir lernten Gleichgesinnte in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz kennen. Gleichzeitig organisierten wir ab 1992 selbst Veranstaltungen in München, zu denen wir Bands aus anderen Städten buchten. In dieser Zeit lernten wir Jan Delay und die Beginner, die Massiven Töne, Samy Deluxe etc. kennen, die ich heute noch meine Freunde nenne. Durch die vielen Reisen und Auftritte brachten wir München auf die Hip Hop-Landkarte. 

©Andreas Purzer

Was sicher auch behilflich bei Eurem ersten Plattenvertrag war.

Labels, die an unserer Musik Interesse hatten, gab es München nicht, hier existierte keine Infrastruktur wie z.B. in Hamburg oder Köln. Unser Debütalbum erschien 1994 über ein Stuttgarter Punk/Hardcore Label. Von da an ging es richtig los.

Als Teil der “Klasse von 94”  Tour mit MC Rene und den Beginnern durch ganz Deutschland. 

Das war unsere erste richtige Tournee. Die Shows fanden mal in Clubs, mal in kleineren Hallen, mal in Jugendzentren statt. Rückblickend war die “Klasse von 1995“ ein Jahr später der entscheidende Schritt in Richtung Musikgeschäft. Die Hallen wurden größer, die Organisation professioneller und es erschien ein eigener Sampler zur Tour.

Den Fokus hast Du dennoch auf Dein Medizinstudium gelegt.

Das Musikgeschäft war uns immer suspekt und kommerzieller Erfolg auf Teufel komm raus nie erstrebenswert. Wir wollten nicht unter Druck Musik machen und von der Gunst des Publikums abhängig sein. Unsere Musik ist letztlich zu sperrig für hohe Chartpositionen. Das Talent, Hits zu schreiben, hatten Leute wie z.B. Max Herre, Jan Delay oder Samy Deluxe, die nicht ohne Grund großartige Karrieren starteten.

Dennoch spielt Ihr bis heute regelmäßig Konzerte und veröffentlicht in losen Abständen Alben.

Letztendlich melde ich mich immer dann zu Wort, wenn ich das Gefühl habe, etwas Relevantes sagen zu haben. Wenn es soweit ist, machen wir neuen Sound und veröffentlichen. Unser Motto ist und bleibt Qualität vor Quantität. Wir machen Kunst der Kunst willen. Ich bin mir bewusst, dass das ein Luxus ist, den wir uns erarbeitet haben und genießen.

https://open.spotify.com/album/2P2hyeTkgOOYlxiyUZEE8N?si=nLNCfVquQu2N1mjrzdzTOA

Wobei auf Eurer neuen EP “Kontinuum” die Schieflage der Welt überraschend wenig thematisiert wird, die Texte drehen sich um Euch und den Hip Hop Kosmos.

Mit so einer Frage habe ich schon beim Schreiben der Texte der EP gerechnet und die Antwort präventiv gegeben: „… sagte Alles, was zu sagen war auf meinem letzten Album, jetzt hab ich Bock auf Rhymes zu unser aller Unterhaltung.” Aktuell will ich einfach nur rappen, um des Rappens Willen, uns und die Kultur zelebrieren, die Weisheiten stecken zwischen den Zeilen. In diesen lauten und wütenden Zeiten kann das nur helfen. 

Neben Streaming Portalen veröffentlicht Ihr weiterhin traditionell auf Vinyl. Wie wichtig sind Euch physische Tonträger?

Es ist uns sehr wichtig, unsere Veröffentlichungen in Form einer Schallplatte mit einem schönen Artwork in Händen halten zu können. Das Cover für „Kontinuum“ hat der Münchner Graffiti-Künstler Flin gezeichnet, worüber wir uns sehr freuen! Alleine deshalb kann ich den Fans das Vinyl ans Herz legen, durch das Artwork bekommt es eine ganz andere Wertigkeit im Vergleich zu einer kleinen Spotify-Kachel.

Schon 1990 im Rap-Game und nun zurück mit der neuen EP „Kontinuum”. ©Franziska Freiwald

Du bist mittlerweile Familienvater und hast Deine eigene Arztpraxis. Welchen Stellenwert genießt Hip Hop heutzutage in Deinem Leben?

Hip Hop ist eine Haltung, eine Einstellung der Welt respektvoll und selbstbewusst gegenüber zu treten. Meine Lebenseinstellung ist Hip Hop. Mein Beruf ist sehr zeitintensiv und ich bin nicht mehr wie früher, 24 Stunden im Reimmodus. Wenn ich den Drang verspüre, mich zu Wort melden zu müssen, dann nehme ich mir die Zeit, setze mich hin und feile an Texten. Die Bandjubiläen bieten sich dafür an, denn eine Deadline hilft mir auf den Punkt zu kommen.

So auch am 15. November, wenn Ihr Euer 35-jähriges Jubiläum in der restlos ausverkauften  Muffathalle feiert. Was erwartet die Besucher?

Eine opulente Main Concept Show durch unsere komplette Band Geschichte. Wir haben viele Weggefährten/-innen der letzten dreieinhalb Dekaden eingeladen, um gemeinsam einen tollen Abend auf der Bühne zu feiern. Das genaue Lineup verraten wir noch nicht, um den ein oder anderen Überraschungseffekt nicht zu nehmen. Der Filmemacher und Autor Jonas Wachholz wird das Konzert von den Vorbereitungen bis hin zur Bühnenshow mit der Kamera begleiten. Mittels Archivmaterial, privaten Aufnahmen, raren Konzertmitschnitten aus den 90ern/2000ern und Interviews u.a. mit Samy Deluxe, Jan Delay, Blumentopf, MC Rene, Aphroe… soll unsere Bandgeschichte von Wegbegleitern in Form einer Doku authentisch erzählt und der Abend festgehalten werden.

Zum Ende richten wir den Blick nach vorne. Wo steht Main Concept in 10 Jahren?

Wenn keine Katastrophe geschieht, auf der Bühne der Muffathalle, um ein weiteres Jubiläum mit dazugehöriger Plattenveröffentlichung zu feiern. Kontinuum.

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