35 Minuten und 34 Sekunden. Ein Album voller Groove und Soul, mitwippenden Zehen und Eintauchen in Olivia Deans warmhellige Stimme. Ihr erstes Album: ein Eindruck.
Vor vier Jahren stolpere ich das erste Mal über einen ihrer Songs. Meine noch damals noch relativ kurze Playlist für strahlende Sonne an Sonntagen (kein Witz, sie trägt den Namen „sunsmilesonasunday“ – originell, Annika) war zu Ende und Spotify ließ seine Radio-Magie spielen. Die ersten Töne von „Ok Love You Bye“ erklingen. Ich halte inne, bin direkt in den Bann gezogen. Das schreit doch nach Sonne an Sonntagen – und meiner neuen Obsession. Wenn der Song heute zufällig im Hintergrund läuft, ist mein Tag wenigstens für 2 Minuten und 34 Sekunden ein Stückchen heiler.
Olivia Dean. Die 24-Jährige kommt aus England und machte ihren Abschluss an der BRIT School. Ihre 2019 veröffentlichte erste Single hat auf Spotify über 2 Millionen Streams und verschaffte ihr den ersehnten Durchbruch. „Messy“ stellt ihr erstes Album dar, auf dem sie Songs wie „The Hardest Part“ mit aufgreift – welches bereits 2020 publiziert wurde.
Von Melancholie und Leichtigkeit
Ihre Stimme lässt eine Tiefe erahnen, die herumschwirrende Alltagsstressgedanken ausblendet und gleichzeitig durch ihre Sanftheit wie Balsam wirkt. Das melancholische „I Could Be A Florist“ spiegelt diese Gefühle wieder, gibt einem Raum zum Atmen. Dean singt: „That little something missing, I’ll fix it / Can’t miss it / I’m open every day“ und garantiert Unterstützung und helfenden Hände. Ein süßer Moment. Leider nicht mehr, aber immerhin: ein süßer Moment. Mit „Danger“ kreiert Dean Tunes, die mit Saxophon, Keyboard und Schlagzeug von Beginn an Leichtigkeit versprühen und besingt währenddessen die möglichen Gefahren beim sich Verlieben. Die Backgroundsänger:innen tragen zu der lockeren Atmosphäre nicht nur einen kleinen Teil bei. Die Devise lautet: tanzen!
Der Song „Dangerously Easy“ kann die oben erwähnte Tiefe wie leider auch „Getting There“ nicht nachweisen und plätschern neben den restlichen Songs daher – gehen mitunter etwas unter, ohne, dass sie sonderlich gemisst werden. Wäre jedoch auch verwunderlich, wenn Deans Debütalbum nur Songs hervorgebracht hätte, die mit bestem Willem nicht geskippt werden können. Geskippt werden müssen dagegen kein einziger Song, meiner Meinung nach.
Olivia Dean live: “Ein besonderes musikalisches Erlebnis”
Eine gute Freundin von mir studiert in London und es kommt beinahe auf einer zweiwöchentlichen Basis vor, dass ich auf ihre Konzertstory mit den Worten „jealous!“ oder „da wäre ich auch so gerne gewesen“ reagiere. So auch in der vergangenen Woche beim Olivia Dean Konzert. Meine Freundin erzählt: „Sie schafft es, durch ihre warme Persönlichkeit, Musik und Beschreibungen der Bedeutungen hinter den Liedern eine intime Stimmung und Verbindung zu ihren Fans aufzubauen. Dazu hat sie eine besondere Live-Band mit einem vollen Satz von Trompeten und Saxophonen, was das musikalische Erlebnis noch besonderer macht.“
Speaking of concerts. Zu Leon Bridges hatte ich selbst 2022 Tickets ergattert und musste dann doch die Live-Performance meines persönlichen Soul-Helden missen. Noch heute zwickt mein Herz aus diesem Grund ein kleines bisschen. Ich darf mir ein Urteil über „The Hardest Part“ erlauben. Der Song steht auf Platz 8 von Deans neuem Album; vor zwei Wochen brachten sie und Bridges bereits ein Feature desselben Liedes raus. Die Stimmen der beiden Sänger:innen harmonieren wie Honig, der us-amerikanische Soul-Sängerbringt zwar nicht direkt eine neue Perspektive an den Tag, ergänzt dennoch die einseitige Erzählweise. Dass der Song dadurch jedoch auf ein neues musikalisches Level gehoben wurde, kann ich nicht behaupten. Er ist anders. Nicht besser, nicht schlechter, anders.
„The Hardest Part“ handelt vom Distanzieren, vom Entfremden einer einst geliebten Person. „And what you’re waiting for ain’t there anymore“ – es wurde sich weiterentwickelt, man wird nicht wiedererkannt. Diese Veränderungen passen wie der Topf auf den Deckel zu den Anfang Zwanzigern. Ein Alter, in dem sich Dean ebenfalls befindet. „Yeah, you had the chance to love me, but apparently you won’t“. Grenzen müssen gesetzt werden, das eigene Herz geschützt. Die prominenten Schlagzeugtöne unterstützen diese Nachricht und heben sie so hervor. Es ist ein Favorit.
Bild: Universal Music
Was denkst du?
Kommentare anzeigen / Kommentar hinterlassen