In seiner Musik verarbeitet der Singer/Songwriter Daniel He seine Gedanken, Gefühle und Erinnerungen. Nach einem schweren Schicksalsschlag fing er mit der Musik an und entwickelte seinen Sound und seine Texte immer weiter.
Alleine, nur mit seiner Gitarre, steht Daniel auf der Bühne. Die ersten Akkorde erklingen und seine sanfte, ruhige Stimme erfüllt den Raum. Daniel schließt die Augen und seine Gedanken, seine Gefühle fließen in das Mikrofon. Er vergisst alles um sich herum und ist ganz bei sich. Bei sich und den Erinnerungen an seine Mutter. „Die Musik hat mir das Leben gerettet“, sagt der Singer-Songwriter im Gespräch. „Am nächsten Tag, als ich den Anruf bekam, dachte ich sofort, dass ich nicht alleine sein kann. Ich fing an, nachzudenken und Songs zu schreiben.”
Schwerer Schicksalsschlag prägt die erste Musik von Daniel He
Es ist der Höhepunkt der Corona-Pandemie, die Welt befindet sich im Lockdown und Daniel mitten im Architekturstudium in München, als in seiner chinesischen Heimatstadt Wuhan plötzlich seine Mutter nach kurzer Krankheit stirbt. Noch am Tag zuvor sah er sie im Videochat und sie fragte ihn, was er gegessen hatte. „Sie war immer besorgt um mich. Meine Mutter war ein Zuhause für mich.“ Ein einschneidender Schicksalsschlag. Die Musik gibt ihm Halt und schon in den ersten Tagen darauf greift er zur Gitarre. Auf seinem iPad nimmt Daniel erste Songs auf, er schreibt seinen Schmerz nieder und verarbeitet seine Trauer in den Zeilen. Bald entsteht daraus sein erstes Album.
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Dieser Prozess lässt ihn nachdenken. Über seine Kindheit in China, den Hintergrund seiner Mutter und seine Beziehung zu ihr. Daniel machte sich auf die Suche nach seiner Identität. „Mit den Songs wollte auch ich mich selbst besser kennenlernen und herausfinden, was ich sagen will.“ Mit den Jahren kristallisiert sich immer mehr heraus für ihn. In München, in der Musikszene fand der queere Sänger eine zweite Heimat, neue Geborgenheit und Liebe.
Sein Publikum lauscht ihm und den Geschichten in seinen Songs an diesem Abend sehr aufmerksam.
Momente, Erlebnisse und Beobachtungen in den Songs von Daniel He
„Im Laufe der Jahre hat sich dann auch mein Songwriting verändert. Es ist nicht mehr so sehr eine Reaktion, sondern viel mehr von meinen Intuitionen geleitet”, erzählt Daniel. In seinen Texten verarbeitet er dabei Momente und Erlebnisse, aber bei einigen Songs ist auch die Musik zuerst da und dann kamen seine Gedanken dazu. „Über eine gute Melodie kann viel passieren, sie löst Emotionen aus.“

So auch in seinem Song „White Lies“, den Daniel nun im Konzert anstimmt. Ein paar einfache, eingängige Gitarrenakkorde schweifen dahin auf seinen Saiten, die er mit der Open-Tuning-Technik stimmt. Daniel singt über die kleinen Lügen, die er bei seinen Großeltern bemerkte, als er letztes Jahr das erste Mal seit der Tragödie wieder in seine Heimat zurückkehrte. Es ist die Vertuschung der Wahrheit, um andere Menschen nicht zu verletzten. „Eine Mentalität, die in China sehr ausgeprägt ist“, erklärt er. Die Magie und Kraft seiner Musik entsteht für Daniel oft in der Einfachheit. Viele seiner Songs bestehen nur aus Gitarre und seiner Stimme. Die Inspiration dazu bekommt Daniel unter anderem von der US-amerikanischen Singer/Songwriterin Joanna Sternberg. „Sie hat einfache Songs, aber so effektiv, voller Emotionen.“
Authentische Gefühle und zweites Album steht bei Daniel He an
Manchmal, wie auf dem Song „Cherry Beer“ sind es auch zerstreute Klaviertupfer, an die sich sein verträumter Gesang schmiegt. Darüber baut sich eine Dramaturgie auf, die ganz vereinnahmt. Es entsteht ein ergreifendes, intimes Hörerlebnis mit einem Musiker, der sich ganz offen ausbreitet. Ohne viel zu verstecken oder zu verschweigen. Hier geht es um die vielen Unsicherheiten am Anfang einer Beziehung. Musik wie Balsam für die Seele, der Wunden heilt und stärkt. Ein Song, der an den Stil von Adrianne Lenker oder Nick Drake erinnert.

Nun hat Daniel bereits sein zweites Album aufgenommen, das bald erscheinen wird. Dafür ist er vom iPad ins professionelle Studio gewechselt und bekam von seinem Label Inselgruppe gute Unterstützung. So hat er auf ein paar Songs ein bisschen mehr herumexperimentiert. Dies zeigt sich schön in „Famous“. Vielfältig instrumentiert entsteht hier eine hoffnungsvolle Aura, die untermalt wird von übereinander gelagerten Stimmen. Es sind Songs wie „Seven Wonders“, die voller Leben stecken, die Spaß machen zu hören und mit viel Studioarbeit fein herausgearbeitet sind. Aber Daniel wechselt auch hier und da vom englischen zum chinesischen Gesang. „Ich habe vor ein paar Monaten angefangen, chinesische Songs zu schreiben und will damit meiner Heimat nochmal näher kommen“, erklärt Daniel.
Weiterentwicklung des Sounds bei Daniel He, doch die Wurzeln immer im Blick
Wo sein erstes Album eine musikalische Reaktion und Verarbeitung auf seinen schweren Schicksalsschlag war, ist hier in den Demos zum neuen Album ein Musiker zu hören, der noch mehr gereift ist, ausgefallener klingt und seinen individuellen Sound mehr und mehr findet. Die Kraft und Magie in der Musik von Daniel entsteht dabei aber immer wieder ganz einfach und mit wenig Mitteln. So auch auf der Bühne an diesem Abend, mit seiner Akustikgitarre, seinem ruhigen wie eindringlichen Gesang und seinen Texten. „Die Lieder bedeuten so viel für mich. Ich hoffe, dass die Leute ihre Zeit damit verbringen. Dann werden sie diese tief in sich fühlen lassen.” Bei seinen Songs ist Daniel immer in Gedanken an seine Mutter. Er schließt seine Augen und singt los. Mit der Musik ist er ganz nah bei ihr, weniger alleine.
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