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Nala Sinephro – Endlessness

17. September 20244 Min. gelesen

Auf einem spirituellen Ambient-Jazz-Album sucht die Wahl-Londonerin nach einem kosmischen Gleichgewicht.

Es gibt Kunst, die kommt ohne Worte aus. Die schweigt nicht, nur weil sie nicht spricht. Wenige Sekunden nach Beginn des ersten Stücks ist klar: Nala Sinephros Album „Endlessness“ ist so ein Kunstwerk.

Ein paar meditative Töne von Sinephros modularem Synthesizer leiten das Stück ein. Ein Saxofon gesellt sich dazu und gibt die Melodie an. Schlagzeuger Morgan Simpson scheint die Snare-Drum eher zu streicheln als zu schlagen, so butterweich klingt die Perkussion. Die Komposition schmilzt sanft dahin auf „Continuum 1“, dem ersten von zehn „Continuum“-Stücken auf Nala Sinephros neuem Album.

Wie schon auf ihrem Debütalbum „Space 1.8“ wagt sich Sinephro mit diesem Album in die Weiten des Kosmos. Mit ihrer Mischung aus elektronischen und akustischen Elementen gehört sie zu den innovativsten Köpfen im zeitgenössischen Jazz. Damit ist Sinephro in London, der heutigen Hauptstadt des Jazz, bestens aufgehoben. Dort hat sich die gebürtige Belgierin zu einer treibenden Kraft der blühenden Musiklandschaft entwickelt.

Ein endloser Traum

Eine ganze Reihe prominenter Musiker:innen wirkt auf diesem Album mit, die bekannteste von ihnen wohl die Tenor-Saxofonistin Nubya Garcia. Von ihrem Spiel geht eine spirituelle Aura aus, die auf diesem Album wie die Faust aufs Auge passt. Nein, nicht die Faust. Die zarte Hand, die einen in hypnotische Zustände versetzt.

Denn „Endlessness“ ist eine Art Traumreise, die so nahtlos vonstatten geht, dass man die Übergänge zwischen den einzelnen Abschnitten kaum bemerkt. Die Songs verschmelzen miteinander, wie in einem Kontinuum eben. Sie drehen sich alle um dieselbe gebrochene Akkordfolge, ein sogenanntes Arpeggio. Sinephro wiederholt und variiert weitgehend dieses eine Synthesizer-Motiv und reduziert es in der zweiten Hälfte des Albums zunehmend auf sein bares Skelett. So schafft sie ein dynamisches Wechselspiel zwischen musikalischer Konstanz und Wandel.

Besondere Freude macht es, dem harmonischen Zusammenspiel eines breiten Ensembles zuzuhören. Auf „Continuum 2“ etwa findet Lyle Bartons feinsinniges Klavierspiel eine wunderbare Balance mit Nubya Garcias Saxofon, während sich die Perkussion stetig vorantastet. Sinephro schließt das Stück an der Pedalharfe ab – ihrem Zweitinstrument, das sie auf diesem Album fast zu selten in die Hand nimmt.

Organisch und synthetisch

Es gibt Momente, da verfällt Sinephro mit ihrem Synthesizer ins Solo; so etwa auf „Continuum 3“ und „Continuum 8“, wo sie beinahe eine Prog-Rock-Atmosphäre à la Pink Floyd beschwört. Auf vielen anderen Stücken imitiert der Synthesizer ein Streicher-Ensemble, scheint der Komposition unter die Arme zu greifen und sie auf ein warmes Klangbett zu heben. Es sind Nala Sinephros stärkste und erhabenste Momente: wenn sie die Grenze zwischen organischen und elektronischen Klängen fast vollständig aufhebt und ein Gleichgewicht zwischen ihnen findet.

Ein solches Gleichgewicht ist die Vision dieses Albums. Zwischen dem Selbst und der Welt da draußen. In den warmen, ätherischen Klängen von „Endlessness“ vertonen Sinephro und ihre Kollaborateur:innen die Sehnsucht nach einer kosmischen Verbundenheit. Ihre Suche scheint niemals zu enden – doch auch mit diesem Umstand lässt sich Frieden schließen.

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Felix Meinert - Redaktion

Schon mit fünf Jahren war ich musikalisch begeistert: Damals trat ich mit meiner Fantasieband vor meiner Familie auf, sang (besser: schrie) auf meiner Fantasiesprache und trommelte mit Plastikstöcken unkontrolliert auf meinem Hüpfball herum. Da der ersehnte Durchbruch aber ausblieb, tobe ich mich heute lieber beim Hören und Schreiben aus. Oft feuilletonistisch, gerne nachdenklich bis nörglerisch, stets aber von Herzen schreibe ich über so ziemlich alles zwischen Rock, Pop, Folk, Hip-Hop, Jazz und elektronischer Musik.

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