Die Musik von Simon Popp und seinem Drum Trio spielt mit dem vollen Klang des Schlagzeugs. Ein Soundkünstler im Porträt, der weit mehr als nur Taktgeber ist und sogar Wasser in seinen Konzerten zum klingen bringt.
Es ist ein mächtiges Triumvirat an Schlagzeugen, das sich beim ersten Blick auf die Bühne des Zirka-Space vor dem Publikum an diesem Konzertabend aufspannt. Hier Bass- und Snare-Drums, dort die Becken. Es scheint nichts Ungewöhnliches an dieser Symphonie von Drums. Doch auf den zweiten Blick sind so viele schmuckvolle kleine Details, Spielereien und Instrumente zu entdecken. Bongos, Klangschalen, eine Cowbell, eine Rahmentrommel oder auch ein Plastikeimer mit Wasser. Die Nebelmaschine brummt die ehemalige Halle 23 mit weißen Rauch voll und auf den Drumhockern sitzen Flurin Mück, Simon Popp und Sebastian Wolfgruber. Das Popp Drum Trio erforscht Klangwelten und zeigt mit einer technischen Raffinesse und ungebrochener Neugier, dass zeitgenössische Musik vom Schlagzeug viel mehr sein kann als nur Taktgeber.
Es wird angezählt und das Stück „DLY” erklingt. Ein breiter Teppich an Sounds rollt sich aus, die verschiedenen Drums überlagern sich. Gleichförmig, leicht und fein konturiert, so detailreich und fast schon hypnotisch. Nur ein hauchzartes Schema vom elektrischen Synthesizer hallt im Hintergrund und verleiht dem Ganzen eine eingängige Struktur, die sich nie zu sehr aufdrängt. Jedes Schlagzeug spielt für sich und zusammen bildet sich ein organischer Sound heraus, bei dem akustische und elektronische Klangwelten verschmilzen. Erdige, schwere Momente fluktuieren mit leichten, luftigen Passagen, die nur filigran mit einem bloßen Fingerschnippen oder Rasseln von getrockneten Samenkapseln zusammengehalten werden.
Die Ideen für Kompositionen oder Polyrhythmen kommen meist spontan und unerwartet. Im Zusammenspiel entstehen oft total interessante Sounds. – Simon Popp im Gespräch
Das Publikum ist ruhig und lauscht aufmerksam konzentriert den langen wie kurzen Arrangements. Darunter kommen einige ganz frisch aus dem Aufnahmestudio im Gasteig, wo das Trio in den Tagen zuvor ihr neues Album aufnahm. „Bei diesem Album haben wir das erste Mal wirklich unsere Ideen und die Arrangements zu dritt im Trio ausgearbeitet.“, sagt Simon Popp. Seit seinem viel beachteten Solo-Debüt mit „Laya” 2019 wird dieses bereits das vierte Werk sein, auf dem unaufhörlich neue Sounds erkundet werden. Ein wichtiger Ausgangspunkt sind dabei für Popp immer die Polyrhythmen, mehrstimmige Zyklen, die sich in seinen Kompositionen überlagern. Diese studierte der Jazz-Schlagzeuger ausgiebig und mit viel Ausprobieren an der Hochschule für Musik. Aus diesem Kosmos heraus brachte Popp zusammen mit seinem kongenialen Drummer-Partner Wolfgruber mit dem Quintett Fazer ordentlich Groove in die Münchner Jazzszene.
Denn so sehr Popp den polyrhythmischen Klängen verfallen ist, so poly-musikalisch ist er als Tonkünstler an den Drums unterwegs. Als Live-Drummer ist er bei „Roosevelt” im Indietronic oder bei „Fazer” zwischen Dub und latein-amerikanischen Rhythmen unterwegs. Zuletzt kamen Soloprojekte mit der mongolischen Jazz-Sängerin „Enji” oder er brachte seine Drums mit den wabernden Sounds der Techno-Djane „Polygonia” zusammen. „Bei Fazer gehen wir meistens schon mit klar ausgearbeiteten Stücken ins Studio, während im Projekt mit Enji deutlich mehr im Moment und in der Improvisation entsteht.“, so Popp. Immer im Fokus steht es dabei für ihn, die ganze Bandbreite des Schlagzeugs auszukosten. So greift dies auch an diesem Abend über Bass-Drums oder Becken weit hinaus.
Mit den sphärischen Klängen strömt von den drei Drummern auf der Bühne nämlich eine einzigartige Begeisterung für Instrumente und Ideen von Klang aus aller Welt. Die Membran der arabischen Darbuka-Trommel vibriert, Klangschalen rauschen oder das Balafon, ein Xylophon aus dem westafrikanischen Raum, murmelt warm. Es rasselt, schnippt oder tröpfelt auch, wenn Flurin Mück im Stück „Ulam’s Spiral“ das Wasser durch seine Hände gleiten lässt und das Mikrofon diese Töne in die Halle ausspült. Ein Element, das einst der indische Perkussionist Trilok Gurtu hervorbrachte. Es sind Geschichten, die das Trio über die Klänge erzählen will. Diese Effekte sind die Worte, die Stilmittel der Drummer.
Die Möglichkeit, dass random was passiert, ist für mich sehr inspirierend. Je nachdem wie man diese Instrumente anschlägt, klingen diese jeweils sehr individuell.
Diese Laute, Resonanzen und Töne passieren völlig im Moment und es ist die Kunst des Trios, diese unverändert, blank in ihrer Eigenart wirken zu lassen. Gleichzeitig diese aber in eine Struktur einzubetten und mit einem genauen Gespür für Timing und Stimmung zu lenken und wirken zu lassen. Diese Musik löst sich selbstbestimmt von Assoziationsmustern, Kategorien oder Genres und vereint in sich so viele Einflüsse, schafft daraus ganz eigene Klangräume. Aber schwebt dabei nicht undefiniert im Raum, sondern ist trotzdem so eingängig, inspirierend und manchmal auch einfach zum Mitklatschen.
Bei Konzerten fühle ich mich voll im Moment mit der Musik und mit dem Publikum.
Simon Popp ist mit seinen Projekten auf Tour, mehr Informationen hier.
Titelbild: VonPlatenPhoto
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