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Paul Simon, Bodyguards und wer Betty wirklich ist

3. August 20236 Min. gelesen

„You Can Call Me Al“. Ein weltweiter Favorit: Der Song der 80er, der Inspiration aus Südafrika zieht und mit seiner eingängigen Melodie noch jede:r einen Ohrwurm bereitet.

Es ist Winter. Die eisige Kälte zerschneidet beinahe meine Finger, die Menschenmassen ziehen sich langsam zurück. Jetzt heißt es: Glühweinstand aufräumen, mein Chef hilft. Wie üblich verbinde ich mich mit der Box – mit Musik macht Putzen doch gleich mehr Spaß. Ich drücke Shuffle, mein Lieblingssong ertönt. Keine zwei Sekunden später singen wir beide lautstark mit: „If you’ll be my bodyguard / I can be your long lost pal“. Ein Moment für die Erinnerung.

Der legendäre Song von Paul Simon ist bereits 37 Jahre alt und doch heute gleichfalls populär. Mit seiner im Kopf bleibenden Melodie und einem offensichtlich zum Mitsingen aufforderndem Rhythmus hat Paul Simon einen Hit erschaffen, der noch Generationen später gehört werden wird. Doch werfen wir einen Blick hinter die Kulissen: Wie ist der Song entstanden? Worum geht es überhaupt? Und wie ist er heute noch aktuell?

Was kam zuerst?

©Bernard Gotfryd/Wikimedia Commons

Fangen wir am Anfang an. Simon wurde die erste Inspiration schon 1970 gegeben – 16 Jahre, bevor der Song tatsächlich in die Geschichte aufgenommen wurde. Auf einer Party wird Paul Simon damals fälschlicherweise vom französischen Komponisten Pierre Boulez als Al Simon bezeichnet, seine damalige Frau Peggy direkt als Betty (um so die Frage aus dem Titel zu beantworten). Ein Witz, der den privaten Kreis 1986 verließ. Geht es also um Paul Simon selbst, wenn er singt: „You Can Call Me Al“?

Nicht ganz. Simon weiß wohl selbst nicht ganz, über was er da tatsächlich geschrieben hat. Besser gesagt, der erste Vers soll in seinen eigenen Worten eher ein Witz gewesen sein – und sollte die Zuhörer:innen so langsam in das Lied einführen. Und doch, Simon soll in seiner Dokumentation „Under African Skies“ gesagt haben, es ginge hier um ihn (wir erinnern uns: Paul, Al, Peggy, Betty). Ein Mann, der unsicher und selbstzentriert ist. Ein Mann in einer ausgeprägten Midlife-Crisis (und einem Bierbauch). Ein Mann, der sich dann aber auf seiner Reise nach Afrika der Spiritualität nähert und sich selbst wie Selbstvertrauen findet (und demnach keinen Bodyguard mehr braucht). Klingt heute vielleicht etwas zu ähnlich wie nach Bali gehen und sich selbst finden, war damals aber ein großer Schritt in die richtige Richtung. Für Paul Simon selbst als auch für eine Gesellschaft voll Akzeptanz, Respekt und Inklusion.

©Mark Sexton/Wikimedia-Commons.

Die Reise nach Südafrika

Übrigens, good to know: „Graceland“, das Album, auf dem „You Can Call Me Al“ erschien, war von Simons Reise nach Johannesburg stark geprägt. Im Jahr 1986 ein Grund für Kontroversen und Diskussionen. Apartheid ist noch geschriebene Realität, die USA boykottiert Südafrika und eine Kollaboration mit Schwarzen Musiker:innen ist beinahe undenkbar. Simon macht es trotzdem – und setzt so ein starkes Zeichen. Später sahnte das Album einen Grammy ab. Wohlverdient.

Die Band Stimela half Simon dabei besonders; deren Gitarrist Ray Phiri ist verantwortlich für den markanten Gitarrenriff. Auch die A-capella-Band Ladysmith Black Mambazo spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Albums. Später unterstützen einige der Musiker:innen Simon in den Staaten bei Auftritten wie Saturday Night Live und arbeiten mit diesem an weiteren Songs für „Graceland“ zusammen. Auch auf der folgenden Tour begleiteten sie Simon. Der Song fällt zudem besonders durch die häufige Benutzung von Bläsern auf. Zu hören sind dabei laut American Songwriter fünf Trompeten, zwei Posaunen, ein Bariton und ein Saxofon. Rob Mounsey hat diesen neunteiligen Bläsersatz dabei arrangiert. Bakithi Kumalo ist weiter verantwortlich für den Bass; Morris Goldberg unterstützt auf der Tin Whistle.

Spiritualität damals und Aktualität heute

Der Weltstar erklärt American Songwriter, dass im Verlauf des Songs die Komplexität seiner Lyrics zunimmt, weil die Zuhörer:innen jetzt an diesen gewöhnt sind und sich auf den Inhalt einlassen können. Simon kreiert Bilder und Szenen, er singt von „angels in the architecture / Spinning in infinity“. Er ist ein Multitalent – und das zeigt sich auch hier. Das Finden seiner Spiritualität realisiert sich schlussendlich in seinem Ausruf „Amen and Hallelujah!“.

Und wie ist der Song heute noch aktuell? Einerseits nutzt das Basketballteam der Universität von Florida diesen als inoffiziellen theme song, andererseits bleibt er bei der Serie „The Office“ während Pam und Jims Hochzeitsvorbereitungen in Erinnerung. Sie fragt ihren Kollegen ungläubig, ob sie zu „You Can Call Me Al“ zum Altar gehen solle – woraufhin dieser erwidert: „Trust me, you won’t be walking. You will be boogie-ing“.

Quellen: Songfacts, NDR, Songmeaningsandfacts, American Songwriter

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Annika Block - Redaktion

Zwischen Alltagsstress und Unidruck so oft es geht auf Indie-Konzerten, in der Sonne mit einem Buch in der Hand oder am Abgehen zu „You Can Call Me Al“ zu finden. Täglich am neue Musik entdecken – und am besten direkt darüber schreiben.

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Auch ein guter Beitrag!
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