Bodega wandelt durch neblige Traumwelten, dunkle Clubs und die eigene Erinnerung: Immer auf der Suche nach der Realität.
In unseren Träumen laufen das Magische und Reale zusammen. Eben erinnere ich mich noch an die peinlichsten Momente meiner Grundschulzeit und schon fliege ich in die Weiten des Horizonts. Es verschmelzen Erinnerungen und verpasste Chancen, Wunschvorstellungen und Pläne zu einem farbenfrohen Brei. Bodegas drittes Studioalbum präsentiert sich ähnlich zusammengesetzt, dafür weniger farbenfroh und mehr in Grau und Schwarz gehüllt. Bedrohlich wird es nicht, aber desorientiert und unbestimmt.
Was schlummert unter der Oberfläche?
„Dennis“ verweilt zwischen Traum und Realität, genießt die Schwelle. Passend zum Traummotiv spricht Miranda July im Hintergrund oft wunderschönen Unsinn: „My water bottle is bird transition.“ Was ist real und was erschwindelt? Wo begegnen wir uns heute in einer Welt zwischen AI-Fieber, digitalem Wahn und Fake News? Philosophisch ausgebreitet werden diese Ideen nicht, sie verraten sich durch einen Blick hinter die Kulissen. Bodega ist ein Mann der dürftigen Worte, seine eindrucksvollsten Momente kommen mit wenigen Wiederholungen und lyrischen Fetzen aus. Stattdessen lässt er seine Desorientierung in kleinen Stimmverzerrungen und großen Beatdrops spüren.
Es sind Elemente, die ihn ausmachen: Eine seichte, fragende Stimme, Dance-Musik und futuristische Sounds. Während manche Instrumentals eine wilde Party versprechen, säuselt er von Liebe, Tränen und Sünden. Sein Unterbewusstsein beschwört animalische Metamorphosen, verführerische Engel und Götter. Von der Tanzfläche wandert er durch mystische Gärten, verführt sein wortloses Gegenüber und uns.
Wer möchte schon aufwachen?
Der wahre Inhalt dieser Traumreise bleibt kryptisch: „Bring you to the orchard where we snack in extremes / Apples are for those who wanna dream / Taste what you could have if you chose never to wake.“ Bevor man die Szene begreift, wandert das Bild schon weiter. Wie jeder Traum verfliegen auch die einzelnen Momente des Albums rasant. Die Streicher zu Beginn von „Humiliation Doesn’t Leave a Mark“ könnten gerne länger ihre einsame Melodie anstimmen. Doch da setzt bereits der Bass ein und zittert durch den ganzen Körper.
„Adulter8“ erinnert an alte Videospielsequenzen, „Set Me Free, I’m an Animal“ ist tierisch verzaubernd und „True“ schwingt durch die Ohren. Mehr als ein Song auf diesem Album gehört in die nächste Clubplaylist, wenn man zwischen Nebelmaschine und verschwitzten Körpern den Morgen sucht.
Immer wieder vermischt und immer wieder überraschend bleiben Traum und Album: „Elk Skin“ beginnt mit einem Sample griechischer Fans, die unbedingt auf einen Song wollten. Selbst wenn ihr Auftritt komplett arbiträr wirkt: Träume müssen bekanntlich keinen Sinn ergeben. Sie sind magisch und unbegreiflich. Vielleicht ist es nicht verkehrt, dass wir uns nach dem Aufwachen nicht immer an sie erinnern. Wie langweilig würde sonst der Alltag aussehen? Zum Glück bewahren wir uns aber ihren Zauber in Alben wie „Dennis“.
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