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The Who – The Who Sell Out (1967)

20. April 20233 Min. gelesen

Das Radio, es läuft immer und vor dem Internet war es wahrscheinlich die schnellste und mächtigste Informationsquelle für die breite Gesellschaft. Was im Radio gespielt wurde, hatte beste Chancen, zum Hit zu avancieren. Früher in den 1960er Jahren war das Radio für die Jugend das wichtigste Medium. Hier wurde die neueste Musik meist zuerst gespielt und das aufmerksame Radiohören war fester Bestandteil des Alltags. Es war das, was heute TikTok oder Instagram sind. 

Ein Album, das diese Lebensrealität sehr nahe bringen will, ist „The Who Sell Out“ von „The Who“ aus 1967. Dort spielt das Fantasieradio „Wonderful Radio London“ und beschert mit seinem Programm einen gemütlichen Nachmittag. Gekonnt schafft es die Band hier die Atmosphäre eines laufenden Radioprogramms zu parodieren. Mit allem was dazu gehört, kleinen Einspielern des Radios selber, Kurznachrichten und – natürlich das Wichtigste – Werbung. 

Mit Blick auf das Cover – das vom Musikmagazin Q zum viertbesten aller Zeiten gekürt wurde – entsteht der Eindruck, hier skurrile Werbebilder zu sehen. Gitarrist Pete Townshend wirbt für einen Deoroller, Sänger Roger Daltery liegt in einer Badewanne voll mit Heinz Baked Beans, Bassist John Entwistle inszeniert im Leopardenfell gekonnt ein Muskelaufbauprogramm, Schlagzeuger Keith Moon schmiert sich Anti-Akne-Creme auf die Wange. Zu jedem Produkt gibt es einen passenden Werbesong. 

Ach so – und zwischendurch stellt die Band immer wieder in großartigen Rocksongs wie „I can´t reach you“, „Sunrise“ oder „I can see for Miles“ – ein echter Hardrock Klassiker – ihre ganze musikalische Breite und ihr Talent zur Schau. Auf einen Dialog über die hochheilige Teatime folgen psychedelische Klänge, darauf wird zu sanftem Garage-Rock der Deodorant angepriesen, der viel Erfolg im Liebesleben verspricht. 

Durchaus amüsant ist beim Hören auch, wie die Musiker das jugendliche Rebellentum mit den konservativen britischen Klischees feinfühlig in den Werbespots, Radioeinspielern und der Musik konfrontieren. Hier geht es um das erste – heimlich gestochene – Tattoo, dort um die Baked Beans. Natürlich dürfen hier auch die ersten Liebhabereien nicht fehlen. 

Dieses Album hört sich an wie eine Radiosession am Nachmittag nach der Schule in einem Jugendzimmer in einer Reihenhaussiedlung im Norden Londons. Es hängen die Plakate von Beatles, Mick Jagger und The Kinks an den Wänden, gebannt wird am Apparat gelauscht in angespannter Erwartung der neuesten Hits. Bis die Ansage ertönt: And here they are: The Who with “I can see for miles”. Ein fantastisch authentisches Zeitdokument!

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Balthasar Zehetmair - Redaktion

Sucht den Sinn des Lebens in Bob Dylan Songtexten und findet ihn bei den Wildecker Herzbuben. Meistens in Schallplattenläden und immer mit Kopfhörern auf den Ohren zu sehen.

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Auch ein guter Beitrag!
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