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Was hört München?! – Oktober

21. Oktober 20257 Min. gelesen

Die Stadt zerrauft sich um Olympia die Haare und eine turbulente Wiesn geht zu Ende. In der Münchner Musikszene behält man einen kühlen Kopf und es klingen innovative Rhythmen bei Simon Popp, das Jazzfest hat ganz besondere Bühnen und der Billardabend wird besungen. Was ist passiert im letzten Monat? Welche spannenden Releases gab es und worauf können wir uns freuen? 

Rhythmen auf der Spur – das neue Album „Trio“ von Simon Popp

Das Simon Popp-Trio. ©Tobias Friedauer

Verfolgt man Simon Popp schon länger, ist man immer wieder verblüfft, was der Künstler am Schlagzeug aus seinen Drums herauskitzelt, -streichelt und letztendlich -trommelt. Am liebsten macht er das mit einer Vorliebe für Klanginstrumente aus aller Welt und in innigster rhythmischer Verbundenheit mit Sebastian Wolfgruber (links im Bild) und Flurin Mück (rechts). So heißt auch sein neues Album „Trio“. Doch so simpel bleibt nur der Titel, auf den Kompositionen erforschen die drei das Wesen einer Jahrtausende währenden kulturellen Klangpraxis. Ihre jeweils eigenen Stile an den Schlaginstrumenten fließen dabei organisch mit vielen Details zusammen, ähnlich einem Mosaik aus drei Steinen, wie das Albumcover dies versinnbildlicht. Dabei experimentieren sie bei den Aufnahmen rastlos und finden ganz neue Klänge. So sind auf „Wallride“ tiefe, dumpfe Töne zu hören, die an den Absorberwänden von Popps Studio aufgenommen wurden. Über verschiedene Takte, Motive und Kombinationen der drei Schlagzeug-Komponenten mäandert der Sound so durch Klangfarben und Spannungen und lässt die ganze Vielfalt des ursprünglichsten Ausdrucks der Menschen erfahren. 

Das Free-Jazz-Trio HNT.

Ein besonderes Programm erwartet beim Jazzfest München. Einmal im Jahr richtet hier der Verein Jazzmusiker Initiative München eine Reihe an Konzerten aus und bespielt dabei auch dieses Jahr besondere Locations in der Stadt. In der Olympiakirche gibt uns am 23. Oktober zuerst das Trio HNT den Jazz-Segen. Kompromissloser Free-Jazz, der sich nicht wirklich auf einen Stil festlegen will und an den Instrumenten Posaune, Schlagzeug und Cello viel Erfahrung und Feingefühl ganz ohne Noten hervorbringt. Darauf folgt an diesem Abend das hoch gelobte Munich Composers Collective. Mit 18 Köpfen auf der Bühne nähert sich das MCC dem Jazz durchaus wissenschaftlich, ohne die Improvisation aus den Augen zu verlieren.

Teresa Luna ©Carolina Remiki

Tags darauf, am 24. Oktober, wird es im Blitz-Club elektronisch-experimentell. Mit seiner Musik, die im Augenblick in der Improvisation entsteht, entfaltet Hattoir Hanzi auf Orgel und Synthesizer eine gewaltige Energie. Leicht ravig, wild und schief kündigt sich das Duo Faileri Failera danach mit schrillen Tönen an und den Abschluss macht Teresa Luna, die Brücken zwischen Südamerika und Europa schlägt und intimes Spiel mit Ensemblebrausen verbindet. Mehr Informationen und Tickets (35 €/20 € erm.) gibt es auf www.jazzfestmuenchen.de/

Bunte Raben brüten erste EP aus

Frech, mit leichten „Neue Deutsche Welle”-Charme à la Marcus (der „Ich will Spass“-Typ) und witzelnden Texten singen die Bunten Raben auf ihrer Debüt-EP „Das goldene Ei“ drauf los. Dabei fängt der Starter „Karussell“ als seichter Indie-Pop an und baut sich mit den Minuten zu einer satten Komposition aus. Durch die Synthies bekommen die treibenden Songs hier einen verträumt wandelnden Anstrich; auf jeden Fall erwähnt gehören die Gitarren. Es groovt dahin und hin und wieder reißen Soli heraus, die aufhorchen lassen und ganz viel Spaß beim Hören machen. Vor allem im Song „Sonnenkind“ stechen die Gitarrenklänge hervor. Zwischendrin schweift der Instrumental-Track „Warum bin ich hier?“ wie ein lazy Sunday dahin. Im Nest der Bunten Raben liegen ein paar Überraschungseier und der erste Flügelschlag ist nun gemacht. Da dürfen wir gespannt sein, was die Band weiter Wind um sich macht. 

Mira Mann No Linear Fucking Time

Was ist Zeit in einem durchgetakteten kapitalistischen System? Können wir uns davon noch lösen? Ganz performativ und zu den Ambient-Klängen von Damian Dalla Torre schafft Mira Mann in ihrer neuen Single „No Linear Fucking Time“ ein intimes Hörerlebnis rund um diese Fragen. Als eine zentrale Inspirationsquelle diente ihr dabei der Song „She Works Hard for the Money“ von Donna Summer: ein 80er-Popsong über das individuelle Unwohlsein im Kapitalismus. Dieses Gefühl adaptiert Mann in die Gegenwart und regt mit Spoken-Word zum Nachdenken an. 

Theon & Jonny – Warum Kannst Du Das?

Warum können andere immer alles besser? Diese Frage stellen sich Theon & Jonny auf ihrer neuen Single „Warum Kannst Du Das?“. Doch statt in melancholischen Beats im Selbstzweifel zu versinken, prescht der Sound hier direkt voran und wird – spätestens beim Refrain – zur lebhaften Hymne, die viel Mut posaunt. Die Texte voller Selbstvorwürfe, die Beats voll im ekstatischen Partymodus. Ja warum, warum? Immer wird die Frage da sein. Aber warum nicht einfach mal die Trübsal wegblasen beim Billardabend mit den besten Freunden und sich selbst abfeiern. Genau das strahlt der Song aus. 

Quirinello – Schrödingers Katze

Auf der neuen Single von Quirinello „Schrödingers Katze“ springen die Instrumente ganz glückselig durch die Aufnahme. Dagegen hat die sanfte Stimme von Quirin Müller einen Hang zur melancholischen Träumerei. In einem poetisch-verspielten Text geht es um die Turbulenzen der Liebe, und rund herum dreht sich in diesem Song alles fröhlich und unbeschwert. Genau in dieser Ambivalenz, schwere Gedanken leicht und sorglos umspielt, liegt die Stärke dieses Songs. Und dass ein physikalisches Experiment als Metapher für das komplexe Gefühlsleben herhält, ist auch nicht aller Tage zu hören. 

Balthasar Zehetmair - Redaktion

Sucht den Sinn des Lebens in Bob Dylan Songtexten und findet ihn bei den Wildecker Herzbuben. Meistens in Schallplattenläden und immer mit Kopfhörern auf den Ohren zu sehen.

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