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Wie umweltfreundlich sind deutsche Festivals?

15. Mai 20257 Min. gelesen

Endlich wieder campen, feiern und von einer Bühne zur nächsten rennen: Die Festivalsaison steht vor der Tür! Doch wie steht es um die Nachhaltigkeitskonzepte von Musikfestivals in Deutschland? Wo gibt es Fortschritte, wo könnte mehr getan werden? Ein Überblick.

Zelte und Bier-Pong-Tische stehen bereit, die meisten Line-Ups sind inzwischen angekündigt und viele Musikfans stehen schon in den Startlöchern: Der Festivalsommer lässt nicht mehr lang auf sich warten! Doch was für Besucher:innen vor allem musikalischen Spaß bedeutet, ist für die Umwelt eine massive Belastung und stellt Veranstalter:innen vor große Herausforderungen. Mit welchen Nachhaltigkeitskonzepten also rüsten sich deutsche Musikfestivals für die Saison? Wie übernehmen Veranstalter:innen ökologische Verantwortung?

Immer mehr Festivals adressieren das Thema Nachhaltigkeit

Ein positiver Trend sticht direkt ins Auge: Dass nämlich inzwischen die allermeisten Musikfestivals auf ihrer Webseite überhaupt Angaben zur Nachhaltigkeit machen, spricht für eine gesellschaftliche Sensibilisierung mit dem Thema. Jedoch beschränken sich diese Angaben mitunter auf vage Bekenntnisse und Appelle ans Publikum. Beispielsweise heißt es auf der Webseite des splash!-Festivals zum Thema Energie: „Wir identifizieren Einsparungspotenziale und reduzieren den Verbrauch fossiler Treibstoffe durch die verstärkte Nutzung alternativer Energiequellen.“ Doch wie genau der Energiemix von Deutschlands größtem Hip-Hop-Festival bisher aussieht und wie dieser effizienter gestaltet werden soll, wird kaum näher beschrieben.

Etwas transparenter kommunizieren Rock im Park und Rock am Ring in ihrer „Festival Charta“. Darin listen die Schwesterfestivals jeweils auf, mit welchen Maßnahmen sie den hohen Energiebedarf für Bühnentechnik, Licht und Lautsprecher decken: Unter anderem verweisen sie auf die Nutzung von zertifiziertem Ökostrom und Photovoltaik-Beleuchtung für Toiletten und Müllstationen. Man erfährt auch, dass die beiden Festivals von einem professionellen Nachhaltigkeitsteam beraten werden und sich an einem internationalen Standard für nachhaltiges Veranstaltungsmanagement orientieren.

Ökologische Vorreiter

Die Einhaltung solcher Standards erfolgt bisher jedoch auf rein freiwilliger Basis, es gibt keine einheitlichen politischen Richtlinien. Orientierung bietet da seit Neuerem der „Code of Conduct“, ein Verhaltenskodex für nachhaltige Festivalkultur in Deutschland. Über 20 Festivals haben diesen inzwischen unterschrieben. Damit verpflichten sie sich unter anderem, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren, Wasser zu sparen und Mülltrennung durchzusetzen.

Zu den Unterzeichnenden gehört auch das Modular. Das Festival aus Augsburg deckt seinen Energiebedarf seit über acht Jahren ausschließlich über den Ökostrom der Stadtwerke. Das Modular gilt als Vorreiter in der Branche und gewann 2022 den Bayerischen Popkulturpreis für „Ökologische Nachhaltigkeit“. Ausschlaggebend dafür war, dass der Stadtjugendring Augsburg, Veranstalter des Festivals, eine detaillierte CO2-Bilanz frei zur Verfügung stellte – und basierend darauf konkrete Maßnahmen ergriff. So hat der Stadtjugendring mit der Stadt Augsburg ein Mobilitätskonzept entwickelt, um die Anreise per öffentlichen Nahverkehr zu erleichtern. Denn ein hoher Teil des CO2-Ausstoßes geht auf Gäste zurück, die mit dem PKW an- und abreisen. Auf dem Festivalgelände zu parken, ist inzwischen nicht mehr möglich.

Nicht nur die Live-Auftritte sorgen auf dem Modular Festival für Begeisterung – auch das ökologische Engagement wurde bereits entsprechend gewürdigt. Bild: Kilian Seiler

Vor dem nächsten Act noch kurz eine Bratwurst? Auch das geht auf dem Modular nicht mehr. Seit zwei Jahren bietet das Festival keine Fleischgerichte mehr an und folgt damit unter anderem dem Beispiel der Fusion und dem Wilde Möhre-Festival für elektronische Musik. Bei anderen Festivals ist dagegen noch Luft nach oben, was die Auswahl veganer und vegetarischer Gerichte betrifft. Im Jahr 2023 waren auf dem splash! 53% der verkauften Speisen fleischlos, bei Rock am Ring lag der Gesamtanteil bei nur 44%. Immerhin: Die meisten Festivals bieten laut eigenen Angaben vor allem regionale Lebensmittel an.

Eindämmung von Plastikmüll

Festivals, die den „Code of Conduct” unterzeichnet haben, verpflichten sich auch zu einem Verzicht auf Einwegplastik. Ganz so weit ist man beim Immergut zwar noch nicht. Doch das Indie-Festival aus Mecklenburg-Vorpommern stellt immerhin langlebige Emailbecher zur Verfügung, um „weniger Getränke in Plastikbechern ausgeben“ zu müssen.

Dagegen hat das deutlich größere Southside bereits alle Einwegplastikprodukte aus seinen Produktionsketten „verbannt“. Laut Homepage erhalten auch alle Mitarbeitenden wiederverwendbare Wasserflaschen. Zudem können Gäste ihre Pfandbecher an den gemeinnützigen Verein Viva con Agua spenden, der sich für die Wasserversorgung in Entwicklungsländern einsetzt und auf dem Festivalgelände vertreten ist.

Nachhaltigkeit ist auch Verantwortung der Besucher:innen

Was üblicherweise trotz solcher Maßnahmen nach einem spaßigen Festivalwochenende zurückbleibt, ist eine ganze Menge Abfall. 590 Tonnen waren es 2019 allein auf dem Wacken Open Air: etwa 8 Kilogramm pro Besucher:in. Inzwischen erhalten Gäste des Metal-Festivals direkt beim Eintritt einen Müllsack und können ihren Abfall bei einem der Müllfahrzeuge entsorgen, die regelmäßig über das Gelände streifen. Der Veranstalter hat auch einen Weg gefunden, mit kaputten Zelten umzugehen, die nach dem Festival auf dem Camping-Gelände zurückbleiben: Ein Kooperationspartner des Festivals recycelt diese und stellt daraus neue Taschen her.

Doch selbst funktionstüchtige Zelte bleiben bei vielen Festivals auf dem Gelände zurück. Dabei behindern sie die Reinigungsarbeiten massiv, zumal die Zeltstangen und -schnüre die Mülltrennung erschweren. Viele Veranstaltende appellieren deshalb an ihre Gäste, ihr Zelt wieder mitzunehmen – und auch ihren Abfall zu trennen und wenn möglich mit Fahrrad, Bus oder Bahn anzureisen. Denn Musikfestivals können die Infrastruktur bereitstellen, um CO2-Emmissionen einzudämmen und Ressourcen zu sparen. Ob ihre Nachhaltigkeitskonzepte gelingen, hängt aber letztlich auch vom Verhalten des Publikums ab.

Titelbild: Das Festival Wilde Möhre gilt als ökologischer Vorreiter in der Branche und gehört zu den Unterzeichnenden des „Code of Conduct” für eine nachhaltige Festivalkultur. Bild: Wilde Möhre

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Felix Meinert - Redaktion

Schon mit fünf Jahren war ich musikalisch begeistert: Damals trat ich mit meiner Fantasieband vor meiner Familie auf, sang (besser: schrie) auf meiner Fantasiesprache und trommelte mit Plastikstöcken unkontrolliert auf meinem Hüpfball herum. Da der ersehnte Durchbruch aber ausblieb, tobe ich mich heute lieber beim Hören und Schreiben aus. Oft feuilletonistisch, gerne nachdenklich bis nörglerisch, stets aber von Herzen schreibe ich über so ziemlich alles zwischen Rock, Pop, Folk, Hip-Hop, Jazz und elektronischer Musik.

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